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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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lächelte sie an. „Wieso bist du auf?“
    „Ich wurde entlassen.“
    „Das ist nicht fair.“ Sie dachte schaudernd daran, wie Matt ihm das Messer in die Schulter gerammt hatte. „Alles in Ordnung mit dir, Hunter, bist du sicher?“
    „Es war nur eine Fleischwunde. Ziemlich hässlich und blutig, aber es ist kein großer Schaden entstanden.“ „Das habe ich nicht gemeint.“ „Ich weiß.“
    Sie sahen sich an und erkannten im Blick des anderen die Spuren des Entsetzens der letzten Stunden.
    „Hat die Polizei schon mit dir gesprochen?“ fragte er.
    „Ja.“ Sie war von der Staatspolizei und dem Sheriff Department vernommen worden und hatte geantwortet, bis sie vor Müdigkeit und Schmerzmitteln nur noch undeutlich hatte sprechen können. Da war der Arzt eingeschritten und hatte darauf bestanden, die restliche Befragung auf morgen zu verschieben.
    „Hast du Lust auf einen Ausflug?“
    „Einen Ausflug? Willst du mich entführen?“
    „Keine schlechte Idee, aber, nein.“ Er verschwand und kam einen Augenblick später mit einem Rollstuhl zurück. „Ich habe eine Überraschung für dich.“
    Er rollte den Stuhl an ihr Bett, sicherte die Räder und half ihr, vom Bett in den Stuhl umzusteigen.
    „Du weißt, dass ich das Ding nicht brauche.“
    „Ich weiß nichts dergleichen. Und sei nicht schon wieder so eigenwillig. Es war schon schwer genug, die Erlaubnis der Schwester für diese Ausfahrt zu bekommen.“
    Avery blickte zu ihm auf und wollte etwas einwenden. Er hinderte sie daran, indem er ihr einen raschen Kuss auf die Lippen drückte.
    Hunter rollte sie aus dem Zimmer und den Flur hinunter an der Schwesternstation vorbei. Die Nachtschwester lächelte. Sie fuhren durch die leere Halle mit ihren Getränke- und Snackautomaten und blieben vor einem Patientenzimmer stehen, dessen Tür angelehnt war. Hunter schob die Tür auf und rollte Avery ins Zimmer.
    Eine Frau lag auf dem Bett. Sie war entsetzlich bleich und durch Kabel und Schläuche an Monitore und eine Reihe von Infusionen angeschlossen.
    Aber sie lebte.
    „Gwen?“ fragte Avery mit vor Rührung heiserer Stimme.
    Die Frau öffnete die Augen mit flackernden Lidern und sah in ihre Richtung. Zunächst war ihre Miene ausdruckslos, doch dann verzog sie den Mund zu einem schwachen Lächeln. „Avery? Bist du das wirk…“
    „Ja, ich bin es.“ Freudentränen traten ihr in die Augen. Avery stieg aus dem Rollstuhl und ging langsam zu Gwen ans Bett, nahm ihre Hand und drückte sie fest. „Matt hat mir gesagt, du wärst tot.“
    „Das … glaubte er auch“, sagte sie mühsam.
    Mit schwacher, manchmal kaum hörbarer Stimme erzählte sie, wie sie gestürzt war, angeschossen wurde, zu Boden ging, sich wieder aufrappelte und es zur Straße schaffte. Dort war sie endgültig zusammengebrochen.
    Als Gwen die Augen schloss, blickte Avery Hunter an. „Woher wusstest du, dass sie hier ist?“
    „Ich hörte die Schwestern in der Notaufnahme von einer Frau reden, die mit einer Schusswunde eingeliefert worden war. Offenbar hatte ein Autofahrer sie bewusstlos neben dem Highway 421 gefunden und in die Notaufnahme gebracht. Dort wurde sie sofort operiert.“
    „Ein Autofahrer?“ fragte Avery. „Da draußen, zu dieser nächtlichen Stunde? Auf dieser einsamen, abgelegenen Straße ist doch schon tagsüber sehr wenig Verkehr.“
    „Ein Wunder“, bestätigte Hunter leise. „Da hatte wohl jemand von ganz oben seine Hand im Spiel.“
    „Genau mein Gedanke.“ Sie wandte sich wieder Gwen zu, die sie mit feuchten Augen ansah. „Ist Matt, ist er …“
    „Tot?“ Avery nickte, beugte sich hinunter und gab Gwen einen leichten Kuss auf die Stirn. „Ich bin so froh, dass du lebst.“
    „Das reicht jetzt“, entschied eine Schwester von der Tür her. „Miss Lancaster braucht Ruhe.“
    „Kann ich nicht bleiben?“ fragte Avery und mochte nicht einmal Gwens Hand loslassen. „Ich verspreche auch, leise zu sein.“
    „Sie brauchen ebenfalls Ruhe“, betonte die Schwester, war jedoch sehr mitfühlend. „Sie ist morgen früh auch noch hier, Miss Chauvin.“
    Morgen früh, dachte Avery, wie schön doch zwei so simple Worte klingen können.

EPILOG
    Montag, den 31. März 2003,
    9 Uhr morgens.
    Avery sah zu, wie Hunter die Türen des großen U-Haul-Anhängers zuklappte und das Vorhängeschloss einrasten ließ. Er ruckte daran, um sich zu vergewissern, dass es wirklich geschlossen war, und wandte sich ihr zu. „Fertig?“
    Sie nickte und stieg in ihren Blazer. Gwen war schon
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