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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld
Autoren: Eva-Ruth Landys
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geht Ruth schweren Zeiten entgegen, verdammt schweren Zeiten! Verflucht noch mal, es ist eine Schande, wie wir leben müssen ...«
    »Aaron!«, ermahnte ihn Cathy. »Du bist immer so bitter! Du weißt doch, dass ich es nicht mag, wenn du so redest. Wir können doch dankbar sein.«
    Aaron lachte kurz spöttisch auf. »Dankbar? Für dieses Rattenleben?«
    Cathy sah ihn gekränkt an.
    »Verzeih mir, Cathy!«, lenkte er ein. »Ich habe es nicht so gemeint, aber ...!«
    »Ich weiß, was du gemeint hast!« Sie schmiegte sich versöhnlich an ihn, während sie weitergingen. »Dennoch, wir sollten dankbar sein, oder etwa nicht? Wir sind Isobel und der Polizei bisher entkommen. Keiner ahnt, dass Mr Stanton in Wirklichkeit Aaron Stutter heißt und von der Polizei gesucht wird. Wahrscheinlich ist ohnehin schon Gras über die Sache in Whitefell gewachsen, so lange, wie es jetzt her ist.«
    Aaron gab erneut einen unwilligen Laut von sich. Allein die Erwähnung Whitefells und der Geschehnisse dort schürte seinen Unmut, doch Cathy ließ sich nicht beirren: »Es stimmt ja, Manchester ist ein stinkender Sumpf! Das weiß ich ebenso gut wie du. Aber es war und ist der sicherste Ort für uns, um nicht aufzufallen und um Arbeit und ein Auskommen zu finden. Und es geht uns doch besser als manch anderen. Immerhin haben wir ein Zimmer für uns allein und das in einem der noch akzeptablen Häuser. Wir haben sogar eine Wasserpumpe mit frischem Wasser im Hof ...«
    »... die wir uns nur mit achtzehn anderen Familien teilen müssen«, vollendete Aaron mit beißendem Spott.
    Cathy ließ sich nicht beirren. »Vielen geht es doch viel schlechter als uns, die haben wirklich Grund zum Klagen. Wir haben zumindest beide eine feste Arbeit.«
    »Ach, Cathy!« Aaron küsste sein Weib sanft auf die Wange. »Du hast ja recht. Aber ich vermisse unsere Farm, die Arbeit mit den Tieren, die Weite ...« Er seufzte und plötzlich verhärteten sich seine Gesichtszüge wieder. »Wenn ich daran denke, dass unser Kind hier in diesem Dreck und unter diesen Bedingungen aufwachsen soll ... und daran hat nur dieses Biest schuld. Ich wollte, ich hätte ihr damals wirklich gegeben, was sie verdient. Dann hätte die Polizei wenigstens einen Grund, nach mir zu suchen!«, fügte er hasserfüllt an.
    »Bitte, Aaron«, seufzte Cathy, »du solltest wirklich versuchen, nach vorne zu blicken. Die Dinge sind nun einmal, wie sie sind. Wir müssen das Beste daraus machen.«
    Da waren sie am Eingang des Mietshauses, in dem McGillan mit seiner Familie hauste, angekommen. Obwohl das Gebäude nur einige Straßen weiter gelegen war als ihr eigenes Mietshaus, war es doch in einem wesentlich heruntergekommeneren Zustand. Wie die meisten anderen der Arbeiterunterkünfte bestand es aus mehreren Einheiten, die sich um einen kleinen lichtlosen Innenhof drängten. Von den wenigen Fenstern, die aus rußverschmierten Wänden in den Dämmer starrten, waren die meisten ohnehin kaputt. Trotz der weit vorgerückten Stunde drückten sich immer noch einige Kinder, schmal und in abgerissenen Kleidern, im Hof herum. Eine schleimige Schicht bildete dort einen knöcheltiefen Bodensatz, der nach Fäulnis und Exkrementen stank. In den Schlamm gelegte Holzdielen bildeten einen schwankenden Pfad zu den Eingängen der einzelnen Wohntrakte.
    »Weißt du, wo die McGillans wohnen?«, sprach Aaron eines der älteren Mädchen an, das auf einer Treppenstufe am Fuße eines der Eingänge kauerte. Das Kind richtete seinen stumpfen Blick auf ihn. Hunger hatte unübersehbar seine Spuren in dem schmalen Gesicht hinterlassen und erst beim genaueren Hinsehen bemerkte Aaron, dass die Kleine nicht älter als sechs Jahre sein konnte. Ihre Gesichtszüge wirkten bereits weit älter. Die Kleine hob auf seine Frage hin die Hand und wies stumm auf eine Tür im hinteren Bereich des Hofes. »In welchem Stockwerk denn, Mädchen?«, fragte Aaron noch einmal. Doch das Kind hatte den Blick schon wieder abgewandt, stand dann auf und schlüpfte an ihnen vorbei, um sich zu den anderen Kindern zu gesellen, die mit großen Augen zu den fremden Besuchern hinüberstarrten.
    »Komm«, sagte Cathy und zupfte ihn am Ärmel, »wir fragen uns drinnen durch.« Aaron seufzte. Er hätte sie nicht mitnehmen sollen.
    Aus der Dunkelheit, die sie im stickig-engen Treppenhaus des hinteren Wohntraktes umfing, leuchteten ihnen zwei Paar Augen entgegen, ein grünes helles und ein müdes wässriges. Beim Näherkommen entpuppten sie sich als die Augen einer Katze
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