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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Angehörigen eingesetzt hat. Selbst, als es zu. einer Anklage des Sodomisten Rupert Baker kam, hat er sich für den Mann – und ich möchte betonen, obwohl ihm das selbst erheblich schadete und er keinesfalls dazu verpflichtet war – in geradezu christlicher Weise eingesetzt. Eine besondere Skrupellosigkeit meines Mandanten lässt sich dadurch meines Erachtens nicht ableiten. Mr Havisham ist sicher ein geschickter und erfolgreicher Unternehmer und Politiker, der seinen Vorteil zu nutzen weiß, aber er ist alles andere als ein Mörder.«
    Godfrey beugte sich zu Isobel hinüber. »Es sieht so aus, als scheitert die Anklage, wenn sich nicht noch eine entscheidende Wendung ergibt. Er tut mir sehr leid, aber ich hatte dich gewarnt, Isobel«, raunte er ihr ins Ohr.
    »Nein!«
    »Du hast es dir selbst zuzuschreiben. Es war zu voreilig. Horace wird sich nach einem Freispruch vermutlich von dir scheiden lassen wollen und das wird ihm vom Parlament auch gewährt werden. Ich werde in diesem Fall dennoch versuchen, für dich eine angemessene Versorgung ...«
    Isobel sprang auf. »Nein!«, kreischte sie laut.
    Die Augen aller wandten sich ihr zu. Selbst Horace sah sie jetzt an. Sein Gesicht war unbewegt, geradezu gefasst.
    »Er ist schuldig!«, schrie Isobel. Das Blut raste in ihren Adern. »Ich weiß es genau, ich kenne ihn. Er ist ... bitte, ich möchte eine Aussage machen.«
    Der Lordrichter betrachtete sie einen Moment zweifelnd, doch dann nickte er. »Nun gut, ich möchte mir nicht nachsagen lassen, ich hätte nicht alle Aspekte, die Licht in dieses Dunkel bringen könnten, ausreichend gewürdigt.«
    Er winkte einem der Gerichtsdiener, der Isobel zur Zeugenbank führte, die Armindale umgehend verließ. »Du bist verrückt! Gib auf!«, raunte dieser ihr leise zu, als er dicht an ihr vorbeiging. Isobel würdigte ihn keines Blickes. Was für ein Versager!
    Da trat ein Bote zu Godfrey an die Anklagebank und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dieser erhob sich daraufhin, blankes Erstaunen stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Euer Ehren«, bat er mit klarer Stimme, »in diesem an überraschenden Ereignissen nicht gerade armen Verfahren hat sich eine weitere unerwartete Wendung ergeben. Dürfte ich um eine kleine Unterbrechung bitten. Ich müsste ein dringendes Gespräch in der Sache führen.«
    Der Lordrichter seufzte. »Gut, es sei Ihnen gewährt, Mr Fountley. Eine Glocke, mehr nicht!«
    Isobel konnte die Geräusche, die Gerüche, all die Menschen um sie herum fast nicht mehr ertragen. Alle starrten sie an, manche deuteten gar mit dem Finger auf sie. Sie starrte zurück, als ob es sie nicht berühre. Es fiel ihr schwer, die Maske der Unnahbarkeit aufrechtzuerhalten. Doch das war jetzt gleichgültig. Sie musste einfach die Nerven behalten, durchhalten. Oh, sie würde es ihnen allen zeigen. Sie würde ihnen schon beweisen, was für ein hinterhältiger Teufel Horace Havisham doch war. Sie würde siegen! Er durfte einfach nicht davonkommen! Er hatte es doch getan, oder etwa nicht?
    Da kehrte der Richter mit seinen Schreibern wieder an seinen Platz zurück, gleichzeitig öffnete sich die kleine Tür bei der Anklagebank und Horace wurde wieder hereingeführt. Zeigte er endlich Anzeichen der Angst? Sie wagte einen Blick.
    Nein! Er wirkte vollkommen ruhig und gefasst, so als wäre er bereit, was immer auch über ihn entschieden würde, zu akzeptieren. Sie verstand es nicht! Hatte er denn keine Angst zu sterben?
    Da trat auch Godfrey, angetan mit der würdigen Robe und Perücke des Barristers, wieder an seinen Platz. Der Hammer des Lordrichters ertönte und es kehrte Stille ein im Saal.
    »Ich eröffne erneut die Verhandlung«, verkündete der Lordrichter, nur um sich dann selbst gespannt Godfrey zuzuwenden, der sich erhoben hatte.
    »Nun, Mr Fountley?«
    »Euer Ehren, verehrtes Gericht, ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass ich mit sofortiger Wirkung die Vertretung der Interessen von Isobel Havisham vor diesem Gericht niederlege. Es ist nicht mehr mit meinem Gewissen als Anwalt zu vereinbaren.«
    Isobel starrte ihn mit offenem Mund an. War er verrückt geworden?
    Der Lordrichter schien ebenfalls zutiefst verblüfft. »Ich verstehe nicht, Mr Fountley, immerhin handelt es sich bei Mrs Havisham doch um Ihre Verwandte.«
    »Ich weiß, Euer Ehren, und deshalb möchte ich auch bitten, meine Entscheidung ohne weitere Erklärung zu akzeptieren, da ich sonst gezwungen wäre, eine Angehörige meiner Gattin schwer zu belasten.«
    Isobel
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