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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden
Autoren: China Miéville
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waren, damit sie ihre Analogie sprechen konnten, dachte ich an Bren. Er konnte natürlich nicht mehr mit den Gastgebern reden. Was gerade geschah, war vonder Botschaft organisiert worden. Ich vermutete, Brens ehemalige Kollegen, die Botschafter, mussten sich für ihn gefreut haben, weil er bei dieser Organisation helfen konnte. Ich frage mich, ob sie ihm etwas zu tun hatten geben wollen.
    Nachdem ich fertig und ins Jugendzentrum zurückgekehrt war, wollten meine Freunde alle Einzelheiten wissen. Wie die meisten Kinder von Botschaftsstadt waren wir Raubeine.
    »Du warst bei den Gastgebern? Das ist Import , Avvy! Schwörst du es? Sag es wie ein Gastgeber?«
    »Sag es wie ein Gastgeber«, erklärte ich angemessen feierlich für einen Eid.
    »Ist nicht wahr! Was haben sie denn gemacht?«
    Ich zeigte meine Blutergüsse. Ich wollte zugleich darüber sprechen und schweigen. Schlussendlich genoss ich es, darüber zu erzählen und es auszuschmücken. Tagelang verlieh es mir Ansehen.
    Andere Folgen waren wichtiger. Zwei Tage später begleitete mich Papa Renshaw zu Brens Haus. Es war das erste Mal, dass ich es seit Yohns Unfall aufsuchte. Bren lächelte und hieß mich willkommen, und ich begegnete dort drinnen meinen ersten Botschaftern.
    Ihre Kleidungsstücke waren die schönsten, die ich je gesehen hatte. Ihre Verbindungselemente funkelten, und die Lichter darauf stotterten im Takt mit den Feldern, die sie erzeugten. Ich war eingeschüchtert. Drei von ihnen waren da, und der Raum war voll, zumal hinter ihnen ein Autom war und ständig von einer Seite zur anderen huschte, während er Bren oder einem der Botschafter etwas zuflüsterte. Der Autom, ein Computer in einem segmentierten Körper, gab sich selbst das Gesicht einer Frau. Es bewegte sich, wenn er sprach. Ich konnte erkennen, dass die Botschafter sich bemühten, mir gegenüber, einem Kind, herzlich zu sein – so wie Bren es versucht hatte, ohne irgendwelche Übung darin zu haben.
    »Avice Benner Cho, oder?«, sagte eine ältere Frau mit einer erstaunlich gewaltigen Stimme. »Komm herein. Setz dich. Wir möchten dir danken. Wir glauben, du solltest hören, wie du kanonisiert worden bist.«
    Die Botschafter redeten zu mir in der Sprache unserer Gastgeber.Sie sprachen mich: Sie sagten mich. Sie warnten mich, dass die wortgetreue Übersetzung des Similes unangemessen und irreführend sein würde. Es gab ein menschliches Mädchen, das unter Schmerzen aß, was ihr in einem alten Raum gegeben wurde, der zum Essen erbaut war und in dem eine Zeit lang kein Essen sich ereignet hatte.
    »Im Verlauf des Gebrauchs wird es gekürzt werden«, enthüllte mir Bren. »Bald werden sie sagen, du seist ein Mädchen, das aß, was ihm gegeben wurde .«
    »Was bedeutet das, Sirs, Ma’ams?«
    Sie schüttelten die Köpfe, sie zeigten einen Schmollmund. »Das ist nicht wirklich wichtig, Avice«, antwortete eine von ihnen. Sie flüsterte dem Computer etwas zu, und ich sah, wie das animierte Gesicht nickte. »Und es würde sowieso nicht zutreffend sein.«
    Ich fragte erneut und formulierte diesmal meine Worte anders, doch sie sagten nichts mehr darüber. Sie fuhren damit fort, mir zu gratulieren, in der Sprache zu sein.
    Während des Rests meiner Jugend hörte ich selbst zweimal, wie mein Simile gesprochen wurde: das eine Mal von einem Botschafter, das andere Mal von einem Gastgeber. Jahre später – Tausende von Stunden, nachdem ich es aufgeführt hatte – bekam ich es schließlich irgendwie erklärt. Natürlich handelte es sich um eine plumpe Übersetzung, doch es ist, wie ich denke, mehr oder weniger ein Ausdruck, mit dem man vorhat, Überraschung und Ironie heraufzubeschwören, eine Art von missgelauntem Fatalismus.
    Während des ganzen Rests meiner Kindheit und meiner Jugend sprach ich nie wieder mit Bren, doch ich fand heraus, dass er meine Schichteltern zumindest ein weiteres Mal besuchte. Ich bin mir sicher: Es war meine Hilfe bei dem Simile und Brens vage Protektion, die mir halfen, durch den Prüfungsausschuss zu kommen. Ich arbeitete hart, war aber niemals eine Intellektuelle. Ich hatte das, was man für die Immer-Eintauchung benötigte, aber nicht mehr als das, was etliche andere auch besaßen – und weniger als einige, die nicht durchkamen. Es wurden nur sehr wenige Kartas bewilligt, für Zivilpersonen und für jene von uns mit der Befähigung, das Immer zu durchqueren, ohne im Tiefschlaf zu sein. Es gab keinen einleuchtenden Grund, warum mir – selbst mit meinen anerkannten
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