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Stadt Aus Blut

Stadt Aus Blut

Titel: Stadt Aus Blut
Autoren: Charlie Huston
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Pitt. Darf ich Ihnen Ihre Sachen abnehmen?
    Er hängt den Burnus samt Turban an eine Garderobe. Ich betrachte mein Gesicht in dem großen Spiegel, der neben der Eingangstür hängt. Ja, ich kann mich im Spiegel sehen – Überraschung. Das Tageslicht hat mir einen leichten Sonnenbrand verpasst. Wo ich den Schleier abgenommen habe, löst sich die Haut in weißen Schuppen, was Scheiße noch mal wehtut. Mr. Steroid kommt zurück und blickt mir forschend ins Gesicht.
    – Hm. Wollen Sie vielleicht etwas Wundsalbe?
    Ich starre ihn einfach an.
    – Was ist mit Ihrem Vorgänger passiert?
    – Bitte?
    – Der Typ, der mich kannte. Der mein Gesicht nicht in der Kamera sehen wollte.
    – Ach, der.
    Der Kerl setzt sich wieder hinter die Rezeption. Jetzt können wir immerhin auf Augenhöhe miteinander reden.
    – Er wurde hingerichtet.
    Tja – wenigstens redet er Klartext und beschönigt nichts. Seinem Vorgänger wurde weder gekündigt noch ging er in beiderseitigem Einvernehmen . Er hat’s vermasselt, und deswegen haben wir ihn nach draußen geschleppt, an Händen und Füßen auf den Boden genagelt und gewartet, bis die Sonne aufging, die ihn innerhalb von zwanzig Sekunden erledigt hat. Todesursache: Hautkrebs. Woher ich weiß, dass es sich genauso abgespielt hat? Wie gesagt, sie haben viel Sinn für Tradition. Und sie tun, was diese ihnen vorschreibt.
    – Schade. Ich mochte ihn.
    Der Riese glotzt mich nur an.
    – Kann ich jetzt zu meinem Meeting? Nicht, dass ich es eilig hätte, aber es ist so ein herrlicher Tag und ich will das schöne Wetter genießen.
    Der Riese hebt den Telefonhörer ab und drückt auf einen Knopf.
    – Ja, er ist hier. Ja, habe ich. Vielen Dank.
    Er legt den Hörer sanft auf den Apparat und deutet auf eine Tür am anderen Ende des Foyers.
    – Einfach die Treppe hoch und dann gleich rechts.
    – Danke.
    Ich mache mich auf den Weg zur Tür, und er drückt einen weiteren Knopf, der sie für mich öffnet. Im Türrahmen drehe ich mich noch einmal um.
    – Wer will mich überhaupt sehen?
    – Mr Predo wartet auf Sie, Mr. Pitt. Einfach die Treppe hoch und dann gleich rechts.
    – Danke.
    Ich lasse die Tür hinter mir zufallen. Dexter Predo. Scheiße. Predo ist Leiter der Geheimpolizei der Koalition und außerdem Parteivorsitzender. Predo hält die Disziplin aufrecht. Er entscheidet, wer mit Nägeln in Händen und Füßen in der Sonne schmort.
     
    Im Treppenhaus hängen die Porträts verdienter Koalitionsmitglieder quer durch die Jahrhunderte. Im zweiten Stock ist ein Foto des gegenwärtigen Koalitionssekretariats angebracht. Es besteht aus zwölf Mitgliedern und einem Premierminister. In Wahrheit handelt es sich jedoch größtenteils um dieselben Typen, die auch auf den Ölbildern zu sehen sind. Das Sekretariat ist nicht gerade für häufigen Personalwechsel bekannt. Dexter Predos Bild ist nirgendwo zu sehen. Er zieht es vor, sich im Hintergrund zu halten.
    Es gibt noch drei weitere Stockwerke, die ich jedoch noch nie betreten habe. Darauf bin ich auch nicht besonders scharf. Die oberen Stockwerke sind den Mitgliedern der Koalition vorbehalten. Insofern ist es schon eine Ehre für mich, nicht im Keller empfangen zu werden. Ich klopfe an die erste Tür zu meiner Rechten.
    – Herein.
    Predos Büro ist so bescheiden wie nur möglich gehalten. Natürlich sind alle seine kleinen Kunstgegenstände unbezahlbar, aber selbst wenn die Jalousien nicht geschlossen wären, hätte er keine besonders beeindruckende Aussicht auf den Park. Er zieht einen Ordner aus einem Aktenschrank. Dreimal darf ich raten, wessen Akte es ist.
    – Pitt.
    – Mr. Predo.
    – Bitte kommen Sie herein. Nehmen Sie Platz.
    Ich könnte beim besten Willen nicht sagen, wie alt Predo wirklich ist. Er sieht aus wie fünfundzwanzig, war aber schon lange vor meiner Geburt im Geschäft. Er blickt von der Akte auf, bemerkt, dass ich noch immer stehe, und deutet auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.
    – Setzen Sie sich, Pitt, setzen Sie sich. Machen Sie es sich gemütlich.
    Ich setze mich, aber gemütlich ist es nicht. Was nicht nur daran liegt, dass der Stuhl viel zu klein ist. Predo bleibt stehen und blättert weiter in der Akte.
    – War eine harte Sache letzte Nacht, oder?
    – Ja.
    – Sie hatten nicht die Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen?
    – Hatte ich nicht.
    – Sie hätten sich die Zeit nehmen sollen, die Beweise zu vernichten.
    Ich starre für einen Augenblick auf meinen Schoß. Er tippt mit dem Aktendeckel gegen den Schrank, um
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