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Stachelzart

Stachelzart

Titel: Stachelzart
Autoren: Jasmin Wollesen
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mitnehmen in sein Baumhaus-Hotel. Dort hätte ich ein eigenes Baumhaus für mich alleine und einen Hund, zwei Papageien und drei Meerschweinchen.  Aber das waren natürlich nur Träume.
 
    Überhaupt träumte ich immer gerne und malte mir die tollsten Sachen aus. Einmal, als ich ungefähr neun Jahre alt war und Vera zuhause anrief um mir zu sagen, dass sie erst später von der Arbeit nach Hause kommen könnte, wollte ich sie überraschen. Ich hatte mir überlegt, dass ich mit ihr ein Picknick im Dschungel machen wollte. Leider hatte unsere schicke Stadtwohnung so gar nichts mit einem Dschungel gemeinsam. Veras Einrichtungsstil war kühl, schlicht und elegant wie sie selbst. Also beschloss ich kurzerhand unsere Wohnung umzugestalten. Ich schnappte mir meinen Malkasten und malte einige große Palmen auf die weißen Wände im Wohnzimmer. Dann suchte ich meine Tierschablonen und verzierte die Wände mit vielen verschiedenen Tieren in bunten Farben.
    Stolz betrachtete ich mein Werk.
    Das sah schon richtig gut aus. Und die Wasserfarben würde man bestimmt auch wieder gut abwaschen können. Nur der kühle Marmorfußboden passte nicht zu meinem Dschungel. Ich überlegte, wie ich ihn gemütlicher machen konnte. Da fielen mir Veras Pelzmäntel im Schlafzimmer ein. Ich flitze schnell in Veras Schlafgemach und öffnete ihren Kleiderschrank. Dort hingen ein Dutzend Pelzmäntel. Ich suchte mir die schönsten fünf Mäntel aus und trug sie ins Wohnzimmer. Dort drapierte ich die Mäntel auf dem Fußboden. So sah der kühle Bodenbelag schon viel mehr nach Dschungel aus.
Das Problem war nur, dass die Mäntel auf dem Marmor ständig verrutschten, wenn man darüber lief oder sich darauf setzen wollte. Ich löste dieses Problem, indem ich mir kurzerhand Nadel und Faden schnappte und die Mäntel zusammennähte. Das war schwieriger, als ich dachte. Einige Mäntel waren doch recht dick und selbst die stabilste Nadel aus dem Nähkästchen war nicht leicht durch das Fell zu bekommen. Die Stellen, die ich nicht zusammennähen konnte, tackerte ich kurzerhand zusammen. Ich fand diese Lösung sehr gelungen, denn es dürfte wohl nicht sehr schwierig sein, die Mäntel später wieder auseinander zu bekommen. Jetzt hatte ich einen richtig tollen Pelzbelag für unseren Fußboden. Das einzige was nun noch fehlte, waren Tiere. Denn was wäre ein Dschungel ohne Tiere? Vera und ich hatten leider keine Haustiere, auf die ich zurückgreifen konnte, also musste ich auch hier improvisieren.
Vor unserem Haus befand sich ein kleiner Park mit Grünflächen. Es war Frühling und deshalb wimmelte es nur so vor kleinen Käfern, Ameisen und Schmetterlingen. Ich schnappte mir einen kleinen Eimer und den Kescher, den ich mir in unserem letzten Badeurlaub gekauft hatte und fing ein paar Tierchen ein. Dann setzte ich mehrere Krabbler und zwei Schmetterlinge in unserem Wohnzimmer wieder aus und betrachtete mein Werk. Wahnsinn!
Aus dem kühlen Wohnzimmer war ein richtig toller Dschungel geworden. Ich schmierte Vera und mir noch ein paar Brote und holte zwei Trinkpäckchen aus dem Küchenschrank. Dann wartete ich darauf, dass Vera endlich nach Hause kam. Sie würde bestimmt staunen.
    Das tat sie dann auch, aber nicht so, wie ich mir das ausgemalt hatte. Anstatt sich über meine tolle Idee zu freuen, wurde aus Vera innerhalb weniger Sekunden DuH – Der unglaubliche Hulk. Ich habe sie selten so wütend erlebt. Selbst der echte Hulk aus der Serie hätte wahrscheinlich in diesem Moment Respekt vor Vera gehabt.
    Sie stammelte nur: „Schaden!“ und „Teuer Mäntel“ und „ Wnzimmer streichen“ und „Kmmerjäga!“
    Scheinbar hatte die Verwandlung in DuH auch ihr Sprachzentrum lahmgelegt, denn einen ganzen Satz bekam sie nicht zustande. Ich verzog mich schmollend in mein Zimmer. Tatsächlich war es dann doch nicht so einfach, die Farbe wieder von den Wänden zu bekommen, wie ich mir das gedacht hatte. Und auch einige Mäntel hatten unter dem Zusammentackern gelitten.
    Nach dieser Aktion meldete Vera mich in einer Ganztagsschule mit Spätbetreuung an. Vorbei waren nun die Nachmittage, an denen ich alleine zu Hause war. Aber so schlimm fand ich das gar nicht. Ich hatte mich zuhause sowieso sehr gelangweilt und die Schule hatte eine großartige Bibliothek, in der ich viele Stunden verbrachte. Beim Lesen konnte ich alles um mich herum vergessen.
     
    Mit vierzehn verliebte ich mich in einen Klassenkameraden und schrieb eine erfundene Liebesgeschichte über ihn und mich,
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