Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
seltsamen, kerzenartigen Lampe. Ein Ohrensessel mit abgewetzter Sitzfläche stand in der Ecke zwischen dem Fenster und einem Kleiderschrank aus dünnem, billigem Holz. Die Tapete hatte lindgrüne Streifen, und auf dem grünlichen PVC-Boden lagen abgetretene Läufer. Alles wirkt wie konserviert, dachte sie, und es hätte sie nicht gewundert, wenn Todds Eltern hereingekommen wären. Unter dem zugezogenen Fenster stand ein kleiner Koffer, der nur darauf zu warten schien, von seinem Besitzer mitgenommen zu werden.
    „Und? Enttäuscht?“, fragte er.
    „Wollte Ihr Vater noch verreisen?“ Sie deutete zum Koffer.
    „Der Koffer musste immer da stehen. Für Notfälle. Mit allem, was man zum Überleben brauchte.“
    Sie horchte auf.
    „Meine Tante lebte unten bei Sydney, in den Blue Mountains und musste öfter vor Buschfeuern fliehen.“ Todds Blick glitt gedankenverloren zum Koffer. „Aber man kann sich nicht vor allem schützen, oder?“
    Hatte sie einen Unterton gehört, oder bildete sie sich das nur ein, weil sie diesen Koffer und das Zimmer und überhaupt diese ganze Geheimnistuerei um diesen Raum unbedingt verdächtig finden wollte?
    „Hat Ihr Vater den Koffer mal gebraucht?“
    Todd Hoffman lächelte gezwungen. „Ich glaube nicht.“
    „Haben Sie schon mal ein Erdbeben miterlebt?“
    Was hatte sie erwartet? Dass er sich beim Wort Erdbeben plötzlich auf sie stürzen und aufschlitzen würde? Er hob die Brauen und zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    „Kein wirklich schlimmes.“
    Wieder zweifelte sie an ihrer Theorie und versuchte, weiteres Belastungsmaterial zu finden. Dabei fiel ihr Blick auf die eingerahmten Fotos auf der Kommode.
    Ein Junge und zwei Erwachsene in Badekleidung lächelten in die Kamera. Im Hintergrund sah man Bäume und ein Haus.
    „Ist das Ihre Schwester oder Ihr Bruder?“ Sie deutete auf ein Foto, das denselben Jungen zeigte, wie er auf einer Decke kniete und mit einem Baby spielte.
    „Meine Schwester ist schon lange tot. Kommen Sie, ich möchte wieder abschließen.“ Er war ungeduldig geworden und griff zum Türknauf. Doch so schnell wollte sie nicht aufgeben.
    Sie betrachtete das Bild erneut. Der junge Todd hatte etwas Verängstigtes, das auf den ersten Blick nicht auffiel. Man hätte es vielleicht als Unbeholfenheit oder Schüchternheit auffassen können, aber sie war sicher, dass es Angst war.
    „Sie sehen nicht sehr glücklich auf dem Foto aus, Todd“, sagte sie und hoffte, dass er etwas von sich preisgeben würde. Todd warf einen kurzen Blick auf das Bild, erwiderte aber nichts.
    „Warum gibt es noch immer dieses Zimmer? Ihr Vater lebt doch schon lange nicht mehr?“
    Er seufzte. „Kennen Sie das: Sie wissen, dass Sie den Speicher ausmisten müssen, aber sie wollen nicht in all die Kisten und Kartons sehen?“
    Das kannte sie gut. Bei ihrer Trennung von Scott war es ihr so ergangen.
    „Aber was war denn so schrecklich an Ihren Eltern, dass Sie nicht erinnert werden wollen?“, bohrte sie weiter.
    Er sah sie an, nein, er sah vielmehr durch sie hindurch, als läge seine Vergangenheit irgendwo hinter ihr.
    „Todd?“
    Sein Blick war merkwürdig fremd und abweisend.
    „ Ich möchte nicht mehr daran erinnert werden.“ Er bedeutete ihr, hinauszugehen. An der Türschwelle drehte sie sich noch einmal um. Ein totes Zimmer voller Erinnerungen, die er lieber wegsperrte. Er zog die Tür zu.
    „ Genug von damals!“
    Sie versuchte ein Lächeln. „Ich hätte Lust auf einen Nachtisch.“
    Seine Miene entspannte sich. „ Wie wärs mit Eis?“
    „Prima!“ Ihr gelang sogar ein Strahlen. „Kann ich mal das Badezimmer benutzen?“
    Während er zurück in den Wohnraum ging, öffnete sie die Bad ezimmertür, kehrte jedoch, als er außer Sichtweite war, zum verschlossenen Zimmer zurück, entriegelte den Knauf und schob sich lautlos in den dunklen, muffigen Raum. Der Koffer am Fenster zog sie magisch an, als müsse sie ihn nur öffnen, um darin endlich die Lösung des Falles zu finden.

8
    „Ich hab nach Ihrem Anruf gleich in den Archiven gekramt!“ Vicky kam Shane auf dem Flur zum Verhörraum entgegen. „War gar nicht so leicht. Aus der Zeit ist nichts digitalisiert oder auf Mikrofiche. Nur staubige Akten.“ Shane sah auf den verblassten roten Pappschnellhefter, den sie ihm entgegenstreckte.
    „Man hat Ihnen so einfach Costarellis Akte ausgehändigt?“ Er kannte die bürokratischen Mühlen und war überrascht, wie schnell sie offenbar für Vicky Chank mahlten.
    „Ich kenn da ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher