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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition)
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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eine verlässliche Leichenschau mangelt. Gesetzlich ist es so geregelt, dass jeder approbierte Arzt eine Leichenschau vornehmen darf, ohne dass er eine spezielle Qualifikation dafür erworben hat. Er muss es sogar, ist dazu verpflichtet, wenn er zu einer Leiche gerufen wird. Auch ungeachtet der Tatsache, dass sich einige von den Aufgaben, die bei einer korrekt durchgeführten Leichenschau zu bewältigen sind, überfordert fühlen. Die Gründe sind vielfältig, einer der häufigsten dürfte Unerfahrenheit sein. Bei einer Befragung unter Leichenschauärzten, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, stellte sich heraus, dass gut die Hälfte von ihnen höchstens zehn, eher weniger Leichenschauen pro Jahr durchführen. Routine bekommt man auf diese Weise wohl kaum.
    Eine – wie ich finde – vernünftige Sonderregelung wurde in einigen Bundesländern für Notärzte geschaffen: Sie müssen dort keine vollständige Leichenschau durchführen. Angesichts ihrer besonderen Aufgaben im Rettungsdienst und der Tatsache, dass sie dafür schnellstmöglich wieder verfügbar sein sollten, brauchen sie nur den Tod festzustellen und diesen in einer »vorläufigen Todesbescheinigung« zu dokumentieren. Dazu gehören Angaben zur Person, zum Auffindeort und zu den sogenannten sicheren Todeszeichen wie Leichenstarre und Totenflecken. In solchen Fällen wird die Leiche anschließend vorsichtshalber in die Rechtsmedizin gebracht, selbst wenn dem Notarzt an ihr nichts aufgefallen sein sollte, was einen nichtnatürlichen Tod vermuten lässt.
    Ein weiterer Grund für Fehlleistungen bei der Leichenschau dürfte eine gewisse Bequemlichkeit sein, die manche Ärzte offenbar daran hindert, sie mit der gebotenen Sorgfalt zu erledigen. Man braucht nur daran zu denken, wie lästig es einem selbst wäre, mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden. Und das dann wegen einer Leiche, für die man sowieso nichts mehr tun kann. Vielleicht war der Verstorbene auch schon ziemlich alt. Bis hierhin könnte man es als Vermutung abtun. Doch es ist durch verschiedene Studien und Untersuchungen belegt, dass sich nicht wenige Ärzte darauf beschränken, nur kurz einen Blick auf den Toten zu werfen, um anschließend einfach das Kästchen »natürlich« auf der Todesbescheinigung anzukreuzen. Würden sie die Angelegenheit gründlich – und vor allem vorschriftsgemäß – erledigen, müssten sie eine vergleichsweise aufwendige äußere Leichenschau vornehmen, das heißt, die Leiche vollständig entkleiden und vom Scheitel bis zur Sohle genauestens unter die Lupe nehmen, einschließlich aller Körperöffnungen.
    Auch hierzu bietet die oben erwähnte Befragung einen ernüchternden Einblick: Dreiviertel der Ärzte gaben an, nicht in jedem Fall die Leiche vollständig zu entkleiden, wie es der Vorschrift entspräche. Am ehesten verzichten Hausärzte darauf. Gerade mal ein Prozent von ihnen meinte, eine komplette Entkleidung gehöre für sie zum Standard. Die anderen neunundneunzig Prozent sagten: Ob sie eine Leiche entkleiden, würden sie von Fall zu Fall entscheiden. Und auch, ob sie es dann vollständig tun oder nur teilweise, um ausgesuchte Körperpartien begutachten zu können.
    Es kommt wohl auch immer wieder vor, dass leichenschauende Ärzte gedrängt werden, »die Sache nicht unnötig kompliziert zu machen«. Oft sind es Hinterbliebene, von denen sie so etwas zu hören bekommen, und dann meist mit einem Unterton der Entrüstung. Entweder haben sie tatsächlich etwas zu verbergen, oder sie fürchten, die Leute könnten sich die Mäuler zerreißen, wenn ihnen zu Ohren kommt, dass es irgendwelche Ungereimtheiten gibt.
    Es soll sogar Polizisten geben, die schon mal darauf hinwirken, aus einem Todesfall keinen Kriminalfall werden zu lassen. Manche, weil sie finden, dass man bei einem Sechsundachtzigjährigen nicht mehr so genau hinzuschauen und erst recht keine Akte anzulegen braucht. Nach der Devise: Der Gute wäre sowieso bald abgetreten. Andere wiederum sind unerfahren, hatten vielleicht noch nie mit einer Leichensache zu tun, übersehen wichtige Details oder deuten diese falsch.
    Das eine wie das andere kommt vermehrt in ländlichen Gegenden vor. Dort stehen sich die Menschen nicht zwangsläufig näher, kennen einander aber eher. Was dazu führt, dass Gerüchte, genauso wie wahre Geschichten, ziemlich schnell per »Buschfunk« weiterverbreitet werden, von einem Nachbarn zum nächsten. Irgendjemand kennt immer einen von denen, über die im Dorf
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