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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition)
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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Gedanke in den Kopf, der nicht gerade zu meiner Beruhigung beitrug: Was, wenn der junge Mann unter einem der anderen Büsche hockte, vielleicht direkt hinter mir, nur besser getarnt? Und wie würde er regieren, wenn er sich durch die Suchmannschaften in die Enge getrieben fühlte? Aber da ging meine Phantasie wohl ein bisschen mit mir durch. Wie sich später herausstellte, war er zu diesem Zeitpunkt längst über alle Berge.
     
    Die Leiche der Frau wurde noch in derselben Nacht ins nächstgelegene Kreiskrankenhaus transportiert und dort am folgenden Tag in der Pathologie obduziert. Allerdings nicht von einem Pathologen, wie manch einer denken könnte, da die Begriffe Pathologie und Rechtsmedizin häufig synonym gebraucht werden, in Filmen und in Büchern, aber auch in den Medien – was es nicht richtiger macht. Zu dieser fälschlichen Gleichsetzung kommt es, glaube ich, vor allem durch die unvollständige Übersetzung der angloamerikanischen Bezeichnung für Rechtsmedizin:
forensic pathology
. Das Wort
forensic
wird oft einfach weggelassen – und
pathology
dann mit Pathologie gleichgesetzt.
    Dabei sind es zwei verschiedene Fächer, die im Grunde nur eines gemeinsam haben: Sowohl Rechtsmediziner als auch Pathologen beschäftigen sich bei ihrer Arbeit unter anderem damit, Todesursachen zu ergründen. Wobei Rechtsmediziner sich schwerpunktmäßig mit nichtnatürlichen Todesursachen beschäftigen und Pathologen nur solche Fälle untersuchen, wo es von vornherein klar ist, dass es sich um einen natürlichen Tod handelt. Außerdem untersuchen Pathologen hauptsächlich Gewebe von Patienten, die noch leben, um Krankheiten zu diagnostizieren. Aber sie obduzieren eben auch Menschen, die im Krankenhaus gestorben sind – das dann gewissermaßen im Dienste der Wissenschaft und als Qualitätskontrolle. Allerdings dürfen sie das nur tun, wenn die engsten Angehörigen damit einverstanden sind oder der Verstorbene zu Lebzeiten selbst seine Einwilligung erklärt hat. Und in ganz speziellen Sonderfällen, die von Bundesland zu Bundesland anders geregelt sind.
    Im Unterschied dazu sind wir Rechtsmediziner gefragt, wenn unklar ist, ob jemand eines natürlichen oder eines nicht-natürlichen Todes starb. Das ist quasi die Kernfrage unserer Arbeit. Dabei geht es nicht allein um Tötungsdelikte, auch Unfälle und Suizide zählen dazu. Alles, bei dem Gewalt oder eine andere Einwirkung durch fremde Hand – zum Beispiel Vergiften – im Spiel war. Oder zumindest im Spiel gewesen sein könnte. Häufig besteht ja erst mal nur ein Verdacht.
    In diese Kategorie fallen auch medizinische Behandlungsfehler, die tödlich enden, in Krankenhäusern, in Arztpraxen oder sonst wo. Das sind Fälle, die die unterschiedlichen Aufgabenbereiche von Pathologen und Rechtsmedizinern vielleicht am besten verdeutlichen: Pathologen arbeiten für Kliniken oder andere medizinische Forschungseinrichtungen, wir bekommen unsere Aufträge von der Staatsanwaltschaft oder von einem Gericht. Taucht also der Verdacht auf, ein ärztlicher Behandlungsfehler könnte zum Tod geführt haben, kommen nicht Pathologen zum Einsatz, sondern Rechtsmediziner. Nicht anders verhält es sich bei Todesfällen in Krankenhäusern, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie infolge einer anderen Fremdeinwirkung – durch Pfleger, Angehörige, Mitpatienten – eingetreten sind.
    Und wann immer wir zum Einsatz kommen, erschöpft sich unsere Tätigkeit nicht darin, die Todesursache zu klären. Wir versuchen ebenso herauszufinden, wann jemand sein Leben aushauchte – Stichwort: Todeszeitbestimmung –, welche Verletzung todesursächlich war, wie und womit ihm diese zugefügt wurde, ob er sich womöglich noch gewehrt hat und so weiter. Kurz gesagt: Wir suchen nach Fakten beziehungsweise Beweisen, die den Ermittlern helfen, die Umstände und den Hergang einer Tat oder eines Unfalls so exakt wie möglich rekonstruieren zu können. Das fängt mitunter damit an, überhaupt erst einmal zu erforschen, um wen es sich bei dem Toten eigentlich handelt.
    Üblicherweise läuft es bei einem Todesfall so, dass derjenige, der die Leiche findet, einen Arzt ruft, der den Tod feststellt und eine Todesbescheinigung ausstellt. Oder aber die Polizei, die dann auch sofort einen Arzt hinzuzieht. Sobald dieser auf der Todesbescheinigung als Todesart »nichtnatürlich« oder »ungeklärt« vermerkt, wird die Polizei eingeschaltet, falls sie das nicht schon wurde. Die Polizei wiederum informiert den
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