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Spring in den Himmel

Spring in den Himmel

Titel: Spring in den Himmel
Autoren: Lotte Kinskofer
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seinem warmen, schönen Land.«
    Jamina überlegte. So hatte sie das noch nie gesehen. Ihre Mutter wirkte selten glücklich.
    Stell dir das doch einfach mal vor. Du stehst an der Seine, du sitzt in einem Café am Montmartre, da geht ein attraktiver junger Mann vorbei mit leidenschaftlichen Augen, er sieht dich an …
    Was lachst du? Weil ich auch romantisch sein kann? Hast du gedacht, ich bin ständig so cool drauf? Meine Eltern haben sich beruflich kennengelernt. Mein Dad war der Banker, meine Mutter die Übersetzerin. Mehr weiß ich nicht. Mama hätte es mir bestimmt genauer erzählt …
    Also bitte: Frag deine Eltern. Ich will's wissen! Ich möchte die Geschichte von der großen Liebe hören. Von einem Mann, der seine Frau liebt und seine Kinder auch. Die Story von der glücklichen Familie – gib sie mir!

4. Kapitel
    Rafik malte Buchstaben in sein Heft. Er hatte keine schöne Schrift, mit neun Jahren sollte er schon viel flüssiger schreiben. Jamina saß neben ihm, sah ihm zu und hing ihren eigenen Gedanken nach.
    Diese Yoyo … Was hatte sie nicht alles erlebt. Dabei diese Lebenslust, diese vielen Ideen, dieser Mut, diese Frechheit. Wie sie die Kontrolleure austrickste, wie sie sich mit dem Eisverkäufer zoffte … Einfach so im Englischen Garten sitzen, die Stunden vergehen lassen. Es war schön, Zeit zu haben, nichts zu tun, keine Verantwortung für den kleinen Bruder, keine Erledigungen für die Familie, Eis essen, quatschen, lachen.
    Diese Geschichte mit dem Flugzeugabsturz … Hammer. Kaum zu glauben. So heftig, dass man's wohl nicht erfinden konnte. Wie kam sie überhaupt auf diesen Gedanken?
    »Warum heißt das S hier Sz?«
    Jamina sah in die großen braunen Augen ihres Bruders.
    »Es heißt eben so.«
    »Der Lehrer hat gesagt, manche nennen es auch scharfes S. Aber es ist doch gar nicht scharf. Es ist groß und rund und weich, es hat zwei große Bäuche …«
    Jamina lächelte. Rafik machte sich oft Gedanken, diesich sonst keiner machte. Das hatte er von Papa. Umständlich, so nannte Mama das. Und dass einen das nicht weiterbrachte, wenn man über Dinge nachdachte, die man sowieso nicht ändern konnte.
    »Ich seh nach, warum das so heißt«, versprach Jamina. »Jetzt ist nur wichtig, dass du es richtig verwendest.«
    »Gruuuuuß mit Sz«, sagte Rafik. »Weil das U lang ist.«
    »Kuss mit Doppel-S, weil das U kurz ist«, ergänzte Jamina.
    »Hihi, Kuss …«, gackerte Rafik. »Gibst du manchmal Alexander einen Kuss?«
    Jamina wollte schon aufbrausen, aber dann lachte sie nur. »Nein, aber dir.« Sie küsste den kleinen Bruder.
    »IIIIIhhhhh, das machst du doch sonst nie!«
    Rafik wischte sich die Lippen ab.
    »Dann war's höchste Zeit«, sagte Jamina und küsste ihn gleich noch einmal.
    Rafik sah sie erstaunt an.
    »Schau in dein Heft: Bus nur mit einem S.«
    Rafik konzentrierte sich wieder auf seine Aufgaben. »Versteh ich nicht. Das U ist doch auch kurz wie bei Kuss mit zwei S.«
    »Sprache ist nicht immer logisch.«
    »Dann kann man auch nicht alles richtig machen«, sagte der kleine Bruder und kaute an seinem Stift.
    Einige Minuten war es still im Zimmer. Man hörte nur Rafiks Hamster, der in seinem Rad lief.
    Jaminas Gedanken kehrten zu Yoyo zurück. Sie hatten sich nicht konkret verabredet.
    »Wir sehen uns, garantiert.«Am Abend beobachtete Jamina ihre Mutter beim Tischdecken. Sie hatte sich nach der Arbeit im Büro umgezogen, trug T-Shirt und Jeans, die halblangen hellen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden.
    »Wie war dein Nachmittag?«
    »Ich war im Englischen Garten, Eis essen, quatschen …«
    »Mit Sophia?«
    »Nein, mit einer anderen Freundin.«
    Als Jamina den fragenden Blick ihrer Mutter bemerkte, ergänzte sie: »Du kennst sie nicht.«
    »Ist sie neu in der Klasse?«
    »Nein, ich hab sie zufällig kennengelernt. In der U-Bahn. Das war total lustig, weil …«
    »Hat Rafik seine Hausaufgaben gemacht?« Ihre Mutter war mit den Gedanken schon anderswo.
    Einen kurzen Augenblick war Jamina enttäuscht. Sie hätte so gerne mehr von Yoyo erzählt, von ihren verrückten Ideen, dass sie so viel Spaß mit ihr hatte, aber nun war die Gelegenheit erst mal vorbei. Sie nickte. »Ich hab schon alles angeschaut.«
    Ein dankbarer Blick der Mutter, eine liebevolle, kurze Umarmung.
    Während des Abendessens erzählte Rafik von der doofen Deutschlehrerin, von Simon, der ihm seinen Apfel weggenommen hatte, vom Fußball in der Pause, vom Lob, weil er einen Geldschein gefunden und abgegeben hatte.
    »Das
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