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Sprich nicht darüber

Sprich nicht darüber

Titel: Sprich nicht darüber
Autoren: Graham Lynne
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dass ich dich nicht sofort erkannte, Rosalie. Aber als ich deinen Namen hörte, wusste ich, dass du Antons Tochter bist.”
    “Seit achtzehn Jahren?” Verblüfft starrte Constantin die völlig gelassene Thespina an.
    “Anton konnte seine Gefühle schlecht verbergen. Er war ganz durcheinander, nachdem er das erste Foto von Rosie bekommen hatte”, erklärte sie ruhig. “Ich fand es in seinem Schreibtisch zusammen mit dem Brief deiner Mutter und verstand. Im ersten Moment tat es weh, aber dann sagte ich mir, dass unsere Ehe deshalb nicht in die Brüche gehen sollte. Ich hätte Anton zur Rede stellen können, aber was wäre damit erreicht? Seine Schuldgefühle und die Angst vor der Enthüllung waren offensichtlich. Ich wollte ihn nicht verlieren. Vielleicht war es feige von mir … Anton hatte schon genug zu ertragen.”
    Die alte Dame sah Rosie an und seufzte. “Als unser Sohn tot geboren wurde und ich erfuhr, dass ich keine Kinder mehr bekommen würde, trug ich meinen Schmerz auf seinem Rücken aus. Ich wies ihn ab. Ich wollte allein sein. Da durfte ich mich nicht beklagen, wenn er sich einer anderen Frau zuwandte.”
    Constantin runzelte die Stirn. “Ich wusste gar nicht, dass ihr jemals Eheprobleme hattet.”
    “Das war, bevor du zu uns kamst. Ich kannte alle Fotos von Rosie, sprach aber nie darüber. Es war auch eine Frage meiner Selbstachtung.”
    “All die Jahre”, murmelte Rosie nachdenklich.
    “Ja. Aber ich ahnte nicht, dass Anton dich gefunden hatte. Ich wusste, er hatte nach dir gesucht, als du noch klein und nicht gerade vom Glück begünstigt warst. Als er vor einem halben Jahr plötzlich aufblühte, dachte ich, er hätte wieder eine Affäre.” Thespina sah Rosie liebevoll an. “Ich freue mich, dass er vor seinem Tod noch ein paar Monate mit dir hatte. Ich weiß, was ihm das bedeutet haben muss.”
    Rosies Mund war staubtrocken. “Sie sind sehr verständnisvoll”, brachte sie mühsam heraus.
    “Nenn mich doch bitte Thespina und du”, sagte ihre Schwiegermutter. “Ich kenne auch Antons Testament. Und jetzt würde es mich freuen, wenn ihr mich über eure Ehe aufklärtet.”
    Rosie schluckte. “Wir tun so, als ob …”
    “Nein, verdammt!” unterbrach Constantin heftig.
    “Nun, vielleicht war meine Frage voreilig.” Lächelnd stellte Thespina ihre leere Kaffeetasse ab und erhob sich. “Aber wenn ihr es lange genug miteinander aushaltet, um mir ein Enkelkind zu bescheren, wäre ich euch sehr dankbar.”
    Rosie wurde hochrot. Sie konnte Constantin nicht ansehen, aber sie verstand, was die Witwe ihres Vaters ausdrücken wollte. Thespina war bereit, Rosie als Familienmitglied anzuerkennen.
    “Wo willst du jetzt hin?” fragte Constantin seine Pflegemutter.
    “Dieser Besuch war nur als Stippvisite gedacht, um die vordringlichsten Fragen zu klären. Ich komme später wieder nach Son Fontanal. Übrigens, Rosalie …” Thespina lächelte. “Dein Vater hat beim Verkauf dieses Hauses die Familienporträts gerettet. Sie würden sich an diesen Wänden hübsch ausnehmen.” Damit drehte sie sich um und ließ die beiden allein.
    “Eine erstaunliche Frau”, stellte Rosie fest, als die Limousine davonfuhr. “Sie hat es uns wirklich gezeigt.”
    Erst jetzt kam ihr voll zu Bewusstsein, was Thespinas Enthüllungen bedeuteten. Sie und Constantin brauchten nicht mehr Theater zu spielen, sie konnten sich sofort scheiden lassen. Die äußerlichen Bande, die ihre Beziehung zusammenhielten, waren weggefallen.
    “Wie konntest du sagen, unsere Ehe sei vorgetäuscht?” fuhr Constantin sie an. “War das nötig?”
    Rosie richtete sich auf und besann sich auf die letzten Reste ihrer Würde. “Du wolltest doch, dass wir bei der Wahrheit bleiben. Es wäre eine Beleidigung, Thespina weiter anzulügen, nachdem sie so offen zu uns war.”
    “Aber die Wahrheit ist, wir sind verheiratet! Wir schlafen miteinander!”
    Rosies Nerven waren zum Zerreißen gespannt. “Du hast letzte Nacht nur allzu klar gemacht, wie du zu mir stehst.”
    “Nein, offenbar nicht. Du hast mich bis aufs Blut gereizt. Ich habe dich verletzt, als ich dich nicht als Antons Tochter anerkannte, aber ich fand das Ganze total unglaubwürdig.” Er ließ nicht zu, dass sie den Blick abwandte. “Es ist wahr, ich hatte Unrecht. Ich verstehe nur immer noch nicht, wieso du nie mehr darauf zurückgekommen bist.”
    “Ich wusste nicht, was das hätte ändern können.”
    “Es hätte eine Menge geändert! Stell dich nicht so naiv”, schnaubte
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