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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen
Autoren: Michael Peinkofer
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der Spelunke war das nicht weiter verwunderlich. Jago jedoch schien nicht in nachsichtiger Stimmung zu sein.
    »V-verzeiht, Herr«, murmelte der Junge, während er über den Boden kroch und die Scherben aufzusammeln versuchte. Dabei schnitt er sich die Finger blutig, aber seinen gestrengen Herrn kümmerte das nicht.
    »Ich habe dir schon viel zu oft verziehen«, plärrte er, »nun ist es genug! Wenn du nicht hören willst, dann muss Brutor dich eben Ordnung lehren!«
    »N-n-nein, Herr«, stammelte der Junge, »bitte nicht« – aber es war bereits zu spät. Einer der riesigen Tauriden löste sich vom Tresen, ein grobschlächtiger Hüne, auf dessen Armen sich Muskelberge türmten. Sein schwarzes Fell glänzte vor Schweiß, sein lederner Rock war blutbesudelt. Die Tatsache, dass sein rechtes Horn abgebrochen war, ließ vermuten, dass er schon häufig in Kämpfe verwickelt gewesen war – vermutlich ein ehemaliger Söldner oder Grubenkämpfer, der jetzt für Jago als Rausschmeißer arbeitete.
    Heißen Dampf aus den Nüstern stoßend, trat er in den Kreis der Schaulustigen, der sich im Nu gebildet hatte. Wenn es etwas gab, das die Gäste im »Feuerkürbis« noch mehr schätzten als billigen Fusel und Pilztabak, dann war es die Aussicht auf Blut. Das Gemurmel, das eben noch den Schankraum erfüllt hatte, hatte sich gelegt. Aller Augen (mit Ausnahme derer, die im Rausch von Fusel und Pilztabak schwammen) richteten sich auf den Jungen.
    »B-bitte n-nicht, Herr«, flehte dieser abermals, noch immer auf dem Boden kauernd. Mit vor Schreck geweiteten Augen blickte er zu dem Tauriden auf, der sich drohend wie ein Ungewitter über ihm aufbaute.
    »Verpasse ihm eine ordentliche Tracht Prügel, Brutor«, wandte sich Jago an den Tauriden. »Brich ihm die Knochen, wenn du willst, aber lass ihn am Leben, hörst du? Vergiss nicht, dass er mein Eigentum ist.«
    Der Tauride schnaubte eine Bestätigung, dann beugte er sich zu dem Jungen hinab, packte ihn an seinem Sklavenhalsband und riss ihn zu sich empor. Der Mensch schrie vor Angst, als er den Boden unter den Füßen verlor. Mühelos hob Brutor ihn in die Luft. Die Menge grölte begeistert, jeder wollte sehen, wie der Mensch grün und blau geprügelt wurde.
    Mit einer Ausnahme.
    »Lass den Jungen los.«
    Croy hatte seinen Platz am Tisch verlassen und stand nun unmittelbar hinter dem Tauriden. Der schnaubte geräuschvoll, dann wandte er sich langsam zu ihm um, wankend vor ungebändigter Kraft.
    »Was?«, fragte er nur. Seine Augen rollten in den Höhlen.
    »Ich habe gesagt, du sollst den Jungen loslassen«, wiederholte Croy, auf den Menschen deutend, den der Tauride noch immer in der Luft hielt.
    »Sonst?«, erkundigte sich Brutor genüsslich. Der heiße Atem, der aus seinen Nüstern quoll, roch faulig.
    »Sonst wird es dir leidtun«, antwortete Croy, wobei er jedes einzelne Wort betonte.
    Im Schankraum hatte sich freudige Erwartung breitgemacht. Jeder wusste, dass es mehr als unklug war, sich einem Tauriden in den Weg zu stellen. Noch mehr Blut würde fließen, daran gab es keinen Zweifel.
    Brutor stieß etwas aus, das wohl Gelächter sein sollte. Erneut fuhr weißer Dampf aus seinen Nüstern, sein Maul dehnte sich zu einem Grinsen, während er das Haupt bedrohlich neigte.
    Als Erwiderung bleckte Croy die Zähne und ließ ein Knurren vernehmen. Gleichzeitig schlug er seinen Umhang zurück und entblößte die beiden Klingen, die er so vor der Brust trug, dass sie einander kreuzten, jedoch unternahm er keine Anstalten, sie zu zücken.
    »Was soll das, Fremder?«, rief Jago von seinem Fass herab. »Willst du dein Fell riskieren wegen eines Menschen?«
    Croy bedachte zuerst das Chamäleon, dann den Jungen mit einem prüfenden Blick. Er konnte den stummen Hilferuf in den Augen des Menschen erkennen, so wie er die Arglist in Jagos zornverzerrter Miene erkannte.
    »Lasst den Jungen gehen«, sagte er noch einmal.
    »Herr?«, fragte Brutor nur.
    Jago machte ein abfälliges Geräusch, zu dem er seine lange Zunge flattern ließ. »Wenn er nicht hören will, muss er eben fühlen«, erklärte er und zuckte gleichmütig mit den schmalen Schultern. »Stopf dem Fremden das Maul, er hat es nicht anders verdient.«
    Der Tauride nickte bereitwillig und senkte das Haupt noch weiter, bereit, den aufsässigen Fremden zu durchbohren – doch der war bereits nicht mehr da.
    Croy hatte die Unaufmerksamkeit seines Gegners genutzt, um in dessen Rücken zu gelangen. Mit einer fließenden Bewegung zückte er die
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