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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen
Autoren: Michael Peinkofer
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der kargen Kammer. Das schneeweiße Meditationsgewand schützte sie nur unzureichend gegen die Kälte, die jeden Winkel der Festung durchdrang. Dennoch hatte sie es angelegt, um sich der Gemeinschaft der Gilde verbunden zu fühlen. Wie ein zu Eis erstarrter Katarakt fiel der Stoff an ihr herab, während sie selbst in der Mitte der Kammer schwebte, scheinbar schwerelos und den Naturgesetzen entrückt.
    »Gildemeisterin?«
    Die Stimme, die von jenseits der grob gezimmerten und mit Eisenbeschlägen versehenen Tür drang, riss Glennara aus ihren Gedanken. Ihre erste Reaktion war Verärgerung, doch sie beherrschte sich, wie es von einer Meisterin erwartet wurde.
    »Ja?«
    »Es gibt Nachrichten, Gildemeisterin. Man wünscht Euch zu sprechen.«
    Da es spät nachts war, flüsterte die Stimme. Dem Lispeln war jedoch zu entnehmen, dass sie einem der Animalen gehörte, die in der Festung ihren Dienst versahen, zu Glennaras Verdruss und Ärgernis.
    »Worum geht es?«, schnaubte sie.
    »Das weiß ich nicht, Gildemeisterin.«
    Glennara schüttelte unwirsch den Kopf. Ihrer Abneigung gegen die barbarischen Bewohner dieser Welt gemäß hatte sie in den vergangenen Wochen kaum Kontakt zu ihnen unterhalten. Von den offiziellen Anlässen abgesehen, die ihr keine andere Wahl gelassen hatten, als die Gesellschaft des Weltenherrschers und seiner ungehobelten Gefolgschaft zu ertragen, hatte sie es vorgezogen, in ihrer Kammer zu bleiben und sich der Kontemplation zu widmen. Umso überraschter war sie darüber, dass jemand sie zu sprechen wünschte.
    »Kann es nicht warten bis morgen früh?«
    »Ich glaube nicht, Gildemeisterin. Die Besucherin meinte, es sei dringend.«
    Die Besucherin!
    Glennara atmete innerlich auf. Das musste bedeuten, dass jemand von außerhalb nach Jordråk gekommen war, womöglich eine Abgesandte der Gilde, die ihr Nachricht von Ethera brachte …
    Sie beendete die Levitation und sank zum Boden zurück. Die Wehmut, die sie gewöhnlich überkam, sobald ihre Füße den Stein berührten, verspürte sie diesmal nicht. Sie bemerkte noch nicht einmal die eisige Kälte der grob behauenen Fliesen, über die sie eilig zur Tür schritt.
    Mit einem Ruck zog die Gildeschwester den Riegel zurück und öffnete. Der Diener, der davor stand und dessen birnenförmiger Körper ihr nur bis zur Hüfte reichte, blickte furchtsam zu ihr auf. Seine Barthaare bebten, Glennaras strenge Züge spiegelten sich in den schwarzen Knopfaugen.
    »Worauf wartest du?«, fuhr sie ihn an. »Bring mich zu ihm!«
    Der Phocide nickte ergeben. Sie versuchte, den Diener und den strengen Geruch, den er verströmte, zu ignorieren, während sie seinen schlurfenden Schritten den von Fackeln beleuchteten Gang hinabfolgte.
    Es dauerte nicht lange, bis sie die Orientierung verloren hatte. Für die Levitatin sah einer der kalten, aus groben Steinen gemauerten Gänge wie der andere aus, und weder hatte sie sich je die Mühe gemacht, noch war sie oft genug unterwegs gewesen, um sie genauer zu erkunden. Wann immer sie von einem Ort zum anderen zu gelangen wünschte, nahm sie die Dienste eines Hausknechts in Anspruch. Eines Menschen, wenn es möglich war, eines Animalen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Doch obwohl sie sich nicht auskannte, war Glennara schon nach wenigen Abzweigungen und Treppen überzeugt, noch niemals zuvor in diesem Teil der Festung gewesen zu sein.
    »Wohin führst du mich?«
    »Zu Eurem Besuch«, lispelte der Robbenmann schlicht. »Das war Euer Wunsch, nicht wahr?«
    Die Gildemeisterin empfand es als unter ihrer Würde zu antworten. Stattdessen fragte sie sich, was die Botin – denn um eine solche musste es sich handeln – ihr zu sagen haben würde. Hatte sich die Erhabene Schwester anders besonnen? Würde ihr Dienst an diesem unwirtlichen Ort womöglich schon bald zu Ende gehen? Würde sie auf eine andere Welt versetzt? Durfte sie womöglich zurückkehren in den Schoß der Gilde und den schützenden Hort von Ethera?
    Allein der Gedanke ließ ihren Herzschlag beschleunigen, während sie weiter den Gang hinabschritt, ihre schlanke, von weißem Stoff umflossene Gestalt ein krasser Gegensatz zur gedrungenen Erscheinung des Animalen.
    Schließlich gelangten sie an eine Tür, die einen Spalt weit offen stand; flackerndes Licht fiel auf den Gang, dazu war das leise Knacken von Kaminfeuer zu hören. Der Robbenmann blieb stehen und wies ihr den Weg. Glennara öffnete die Tür vollends und trat ein.
    Dahinter befand sich ein mittelgroßes Gewölbe,
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