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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen
Autoren: Michael Peinkofer
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seinem letzten Besuch nichts geändert hatte. Die Nischen, die sich entlang der Wände reihten, waren noch immer mit abgerissenen Gestalten besetzt, die billigen Fusel schluckten oder mit entrückten Mienen den Pilztabak rauchten, den der Wirt ihnen verkaufte; am Tresen lungerten noch immer grobschlächtige Kerle, Tauriden und andere, die Streit suchten und nur darauf warteten, einem Ahnungslosen die Hörner in die Eingeweide zu rammen; und auf der kleinen Bühne in der Mitte der Spelunke tanzte eine Menschenfrau, die nichts als ihr Sklavenhalsband am Leibe trug, zu den schrägen Klängen, die ein Kröterich seiner Flöte entlockte. Die Auswölbungen an seinem Hals blähten sich dabei unaufhörlich.
    Croy verzog abermals das Gesicht.
    In der Tasche seines Rocks kramte er nach einem Geldstück. Anderswo in der Stadt hätte man dafür nicht einmal ein Kaublatt bekommen, hier genügte es für einen gut gefüllten Krug. Vorausgesetzt, dass man bezüglich des Inhalts keine Ansprüche stellte.
    Durch einen Pulk betrunkener Halbkreaturen, deren Ursprünge sich nur mehr erahnen ließen, bahnte er sich einen Weg zu einem kleinen Tisch, der noch unbesetzt war und von dem aus sich die Umgebung gut im Blick behalten ließ. Ein schmächtiger junger Mensch, der wie die Tänzerin das lederne Sklavenband um den Hals hatte, wischte den Tisch mit dem Saum seines schmutzigen Hemdes ab. »E-Euer Wunsch?«, erkundigte er sich dann in der Allgemeinsprache, die er einigermaßen flüssig zu beherrschen schien.
    »Bier«, sagte Croy nur, worauf der Junge in den Dunstschwaden verschwand, die wie dichter Nebel über dem Schankraum hingen.
    Aufmerksam, die gelbgrünen Augen zu Schlitzen verengt, spähte Croy umher. Am Tresen waren zwei Tauriden inzwischen in eine heftige Auseinandersetzung verwickelt, die ein langohriger Leporide noch zusätzlich anzustacheln schien. Die Tänzerin hatte ihre Darbietung beendet, dafür waren einige Gäste auf die Bühne gesprungen und vollführten unter dem Einfluss von Alkohol und Pilztabak wilde Verrenkungen.
    Croy verachtete sie.
    In seinen Augen waren sie Feiglinge. Schwache Geister, die es vorzogen, sich in den Rausch zu flüchten, statt sich der Wirklichkeit zu stellen. Unter ihnen würde er keinesfalls finden, wonach er suchte, da war er sich ganz sicher.
    Der Sklave kehrte zurück, einen Krug Bier im Arm, der von gelbem Schaum gekrönt wurde. Auch wenn er nur ein Mensch war – der Junge hatte etwas an sich, das Croys Aufmerksamkeit erregte. Vielleicht war es das kurz geschorene schwarze Haar, das sein markantes Haupt betonte, vielleicht die stahlblauen, aufmerksamen Augen, die nicht recht zu seiner schmächtigen Postur und seiner unterwürfigen Haltung zu passen schienen.
    Croy nickte dem Jungen zu und legte ein Kupferstück als Bezahlung auf den Tisch. Der Sklave nahm es und prüfte seine Echtheit, dann ließ er es in dem Beutel verschwinden, den er am Gürtel trug. Sodann verschwand er wieder, und Croy trank von dem Bier. Es war warm und schal und schmeckte nach Elefantendung. Und vermutlich, dachte Croy missmutig, war das auch eine der Zutaten.
    Plötzlich gab es ein lautes Klirren.
    »Was fällt dir ein?«, zeterte jemand. »Bist du völlig von Sinnen? Willst du elender Menschenfott mich ruinieren?«
    Auf der anderen Seite der Schenke, wo der Tresen endete und sich der Durchgang zur Küche befand, gab es Tumult. Zuerst dachte Croy, dass es der streitsüchtige Leporide wäre, der so lautstark lamentierte, aber das war nicht der Fall – das Langohr war noch immer mit den beiden Tauriden beschäftigt. Stattdessen war ein kleinwüchsiger Chamäleonid auf ein Fass gesprungen und gebärdete sich dort wie von Sinnen. Die Krallenhände zu Fäusten geballt, hüpfte er zeternd auf und ab, während sein Hals sich aufblähte und seine Schuppenhaut sich vor Ärger braun verfärbte; seine halbkugelförmigen Augen blitzten zornig, und es sah aus, als wollten sie vollends aus den Höhlen treten.
    Croy kannte den Kerl.
    Sein Name war Jago, und er war der Inhaber des »Feuerkürbis«.
    »Elender Tölpel!«, tobte der Chamäleonid weiter. »Jede Nacht ist es dasselbe Theater, ich verliere allmählich die Geduld mit dir!«
    Erst jetzt konnte Croy sehen, auf wen sich Jagos Zorn richtete. Es war der junge Sklave, der seinen Tisch gewischt und ihm das Bier gebracht hatte. Offenbar war er von irgendwem angerempelt worden und hatte einen Tonkrug fallen lassen, der daraufhin zu Bruch gegangen war. In der drückenden Enge
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