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Splitternest

Titel: Splitternest
Autoren: Markolf Hoffmann
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Einmischung weiterführen. Er war ein niederträchtiger Mann, ohne Liebe für die Menschen.«
    Die beiden Männer schwiegen. Am Himmel brach die Sonne zwischen den Wolken hervor. Die Strahlen wärmten ihre Gesichter.
    »Ich hörte, dass viele Menschen Venetor verlassen haben«, sagte Cercinor dann. »Sie ziehen von der Küste fort und suchen nach neuen Orten, an denen sie bleiben können. Es ist seltsam … keiner von ihnen scheint sich nach Gharax zurückzusehnen.«
    »Sie wollen vergessen. Venetor erinnert an den Niedergang, an die Schlacht und die tödliche Schwärze. Deshalb fliehen sie und zerstreuen sich in alle Himmelsrichtungen.« Delifor stopfte die zusammengerollte Karte in eine Ledertasche. »Auch ich werde weiterziehen. Ich muss den Kontinent erkunden und die Karte vollenden. Die Südsegler umrunden die Küsten, ihr Schiff ist immer wieder auf den Wellen zu sehen. Ich aber will das Inland erforschen, die Wälder und Gebirge, die Flüsse und Seen. Laghanos hat uns eine reiche Welt hinterlassen.«
    »Ich habe ihn nicht wieder gesehen«, murmelte Cercinor. »Laghanos rettete uns aus Arphat und führte uns durch lichtlose Weiten zu dem Wald auf deiner Karte. Dann verschwand er spurlos. Selbst als der tödliche Hauch uns dahinraffte, half er uns nicht …«
    »… weil er der Schwärze selbst zum Opfer fiel.« Delifor rückte an den Unbeugsamen heran. »Ich habe ihn gesehen, am Tag nach der Schlacht. Ein Mann mit verbrannter Haut trug ihn vom Schlachtfeld. Ich sprach ihn an, und er sagte mir, dass Laghanos von uns gegangen sei … und tatsächlich, sein Leichnam war kalt, die goldene Maske heruntergerissen. Aber ich sah die Wunden in seinem Gesicht, goldene Spuren auf der Haut, wo sie einst festgewachsen war. Es war Laghanos, und er war tot.«
    »Dann ist er also fort für immer.« Düster blickte Cercinor zu Boden. »Welche Hoffnung bleibt uns noch? Wir sind dem Kind gefolgt, um vor den Quellen sicher zu sein. Wer wird uns jetzt vor ihnen und den Goldéi schützen?«
    Delifor zuckte mit den Schultern. »Ich denke, es war an der Zeit, dass er ging. Vielleicht wollte er in der Schlacht sterben … um uns diese neue Welt zu überlassen. Nun können wir selbst den Neubeginn wagen und sind endlich frei.«
    Er hob das Bündel vom Boden auf, das er die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte. Kurz blitzte ein Gegenstand unter dem Stoff auf. Delifor steckte ihn rasch fort. Er schob sich an Cercinor vorbei und schritt zu seinen Anhängern. Sie umringten ihn begeistert, begannen ihn zu preisen, »Delifor … dein ist das Wasser … dein ist das Meer … reinige es … reinige uns«, und er genoss ihre Verehrung.
    In Cercinors Augen hatte sie etwas Verzweifeltes.
     
    Ein Schiff glitt durch die Wellen. Schwarz war sein Bug, schwarz waren die Segel. Die Barke der Südsegler folgte der Küste. Im fernen Westen glomm das Feuer des Leuchtturms von Fareghi. Seine Strahlen besänftigten das Silbermeer. Weiter im Norden, wo sein Licht sich verlor, herrschte Chaos; da tobten die Wellen, da brüllte die Gischt. Das Silbermeer zürnte, es duldete kein Schiff jenseits des Leuchtturms, nicht einmal die Barke der Schwarzen Erkenntnis.
    An Bord hatten sich die Südsegler versammelt. Ihre goldenen Augen waren auf das Land gerichtet, auf den Kontinent, der dem Meer entstiegen war. Sie hatten ihn entdeckt, und sie würden ihn fortan umfahren, getragen von der Macht des Schwarzen Schlüssels.
    Der Schiffsjunge Mhadag hatte den Mast erklommen. Er blickte gen Süden und flüsterte einen Reim.
    »Nach so vielen Jahren der einsamen Suche, verschollenen Schiffen, verlorener Zeit, erreicht unsere Barke die rettende Küste, lässt Gharax zurück, all den Schmerz, all das Leid.«
    Gischt umspülte die Barke. Die Südsegler sahen zu Mhadag empor. Dann antworteten sie mit heiseren Stimmen.
    »Die Karte von Yuthir, die Macht des Verlieses, der Schlüssel der Sphäre, das uralte Kind; sie wiesen uns Seglern den Weg in den Süden und trugen uns sicher durch tückischen Wind.«
    Das Segel bauschte sich. Die Barke schnellte wie ein Pfeil durch den Strom, und am Horizont entschwand der Leuchtturm ihren Blicken.
    »Sie ist nun vollendet, die Wandlung der Welten; ein Stern ist verglüht, und kein Mond ist zu sehen; und fragt man uns heute, wohin wir denn streben …«
    Der Wind trug ihr Schiff weiter gen Süden, zu Gestaden, die nie zuvor ein Mensch erblickt oder betreten hatte.
    »… die Suche, die Suche muss weitergehen.«
     
    Grimm hatte etwas
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