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Splitternest

Titel: Splitternest
Autoren: Markolf Hoffmann
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im Schlick gefunden; eine Muschel, halb verfault und stinkend. Dem Kieselfresser schien sie dennoch die größte Köstlichkeit seit langem. Er schnaubte zufrieden, polkte mit den Krallen das Muschelfleisch aus der Schale, leckte sich genüsslich über die Schnauze. Schon wollte er den ersten Bissen nehmen.
    Doch jäh traf ihn ein Tatzenhieb. Knauf hatte ihm aufgelauert! Mit höhnischem Fiepsen warf er sich auf Grimm und verbiss sich in dessen Ohr, während er mit den Hinterbeinchen geschickt die Muschel forttrat, vermutlich, um sie später selbst zu verspeisen, oder einfach, um Grimm zu ärgern. Und wahrlich, Grimm ärgerte sich nicht zu knapp! Er stieß wilde Pfiffe aus, schlug seine Krallen in Knaufs braunen Pelz. Beide rollten fauchend über die Schieferplatten bis zur Bucht und klatschten ins Salzwasser, pitsch patsch, so dass die Tropfen in alle Richtungen wegstoben.
    Uliman Thayrin beobachtete die Kieselfresser. Der Junge stand an der Bucht, dicht am Wasser. Seine Finger spielten mit dem blauen Kiesel, den Aelarian ihm geschenkt hatte.
    »Warum zanken sie sich die ganze Zeit, Aelarian? Mögen sie sich nicht?«
    Der Großmerkant stand hinter ihm. Eine schwarze Feder steckte an dem Kragen seines roten Gildengewands; eine Erinnerung an den Tag auf dem Felsen. »Nun, manchen Kreaturen ist die Streitlust angeboren, Uliman.« Er warf einen Seitenblick auf Cornbrunn, der mit etwas Abstand in ihrer Nähe wartete. »Auf diese Weise wollen sie eigene Mängel verdecken, Faulheit etwa oder Kleinmut. Aber mögen tun sich Grimm und Knauf, da bin ich mir sicher. Sehr sogar. Sie sind enge Freunde.«
    Cornbrunn wandte verächtlich den Kopf in die andere Richtung. Uliman aber hatte aufmerksam zugehört.
    »Ich wusste nicht, was das ist … Freunde. Ich dachte, Rumos wäre ein Freund, und der Schwarze Schwan. Sie waren immer bei mir, immer.«
    »Jetzt nicht mehr«, beruhigte ihn Aelarian. »Und du bist in einem Alter, in dem man sich seine Freunde selbst sucht.« Er wies auf die Häuser von Rhagis. »Im Dorf gibt es ein paar Buben, so alt wie du, mit denen du vielleicht einmal fischen gehen kannst. Und Mädchen gibt es da auch.« Er zwinkerte Uliman zu.
    Dieser senkte den Kopf. »Was soll ich mit Mädchen anfangen … ich bin verheiratet.«
    »Das musst du ihnen ja nicht sagen. Es war ohnehin töricht vom Silbernen Kreis, dich in so jungen Jahren zu vermählen, und dann auch noch mit einer Königin! Solche Ehen halten nicht lange, und manchmal gehen ganze Reiche dabei drauf.«
    »Ich wollte Inthara ja gar nicht«, murmelte Uliman. »Aber alle haben auf mich eingeredet, die Fürsten, der Hohepriester Bars Balicor … und Rumos. Seine Stimme war immer in mir, in meinem Kopf. Er flüsterte mir Dinge zu … Befehle.« Er schloss die Finger um den Stein, um sich zu beruhigen.
    »Nun flüstert er keine Silbe mehr, sondern weht als graue Asche über die Insel Tyran. Ich habe ihn brennen sehen, Uliman. Und diesmal war die Flamme so heiß, dass selbst ein Rumos Carputon nicht mit heiler Haut davongekommen ist.« Aelarian versetzte dem Jungen einen freundlichen Knuff gegen die Schulter. »Geh nur ins Dorf, keine Scheu. Man wird dich schon nicht auseinander nehmen.«
    Uliman nickte. Dann machte er kehrt und schlenderte auf die Häuser zu.
    Kinderstimmen waren aus der Ferne zu hören.
    Cornbrunn wartete, bis der Junge außer Hörweite war. Dann eilte er zu dem Großmerkanten.
    »Ich kann mir nicht helfen, aber er macht mir angst«, brummelte er. »Wenn ich ihn ansehe, muss ich sofort an den Schwan denken, an die gläsernen Augen, die Federn, die Schwärze …« Ein Schauer fuhr ihm über den Rücken.
    »Du bist und bleibst ein Hasenfuß«, tadelte Aelarian. »Siehst du nicht, dass er vor allem ein Kind ist, das alles verloren hat? Die Bathaquar hat ihm Schreckliches angetan.«
    »Eben darum macht er mir ja angst. Wie können wir sicher sein, dass der Schwan in ihm nicht erwacht? Dass er nicht irgendwann wieder den Hauch von Nekon auf die Welt loslässt?«
    »Ein Teil des Schwans wird immer in ihm sein«, gab Aelarian zu, »ein Funken der Ewigen Flamme, ein Splitter aus Sternengängers Gebeinen. Uliman wird den Fluch nie ganz abstreifen können. Aber er hat den Schwan aus eigener Kraft in seinen Körper zurückgezwungen. Ohne diese innere Kraft hätte der Hauch von Nekon jeden vernichtet.« Er strich sich nachdenklich über den rötlichen Bart. »Ich werde ihm helfen, seine Kräfte im Zaum zu halten. Und wer weiß, vielleicht werden sie ganz
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