Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Splitter

Splitter

Titel: Splitter
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
Marc war sich nicht sicher, aber er glaubte, mehrere Narben rund um das Armband entdeckt zu haben, die weniger von einem Messer als von einer Brandwunde herzurühren schienen. »Ich praktiziere offiziell nicht mehr, aber mein analytisches Gespür hat mich deshalb noch lange nicht verlassen. Darf ich fragen, was Sie im Augenblick empfinden?«
    »Kälte.«
    »Keine Schmerzen?«
    »Die sind auszuhalten. Ich glaube, der Schock sitzt noch zu tief.«
    »Aber denken Sie nicht, es wäre besser, wenn Sie nicht hier, sondern in einer Notaufnahme wären? Ich habe noch nicht einmal Aspirin im Haus.«
    Marc schüttelte den Kopf. »Ich will keine Tabletten. Ich will nur Gewissheit.«
    Er legte die Pistole auf den Couchtisch, die Mündung auf Haberland gerichtet, der immer noch vor ihm stand. »Beweisen Sie mir, dass es mich wirklich gibt.« Der Professor griff sich an den Hinterkopf und kratzte sich an der etwa bierdeckelgroßen, lichten Stelle in seinem grauen Haupthaar. »Wissen Sie, was man gemeinhin über den Unterschied zwischen Mensch und Tier sagt?« Er deutete auf seinen Hund in dem Körbchen, der im Schlaf unruhig stöhnte. »Es sei das Bewusstsein. Während wir darüber reflektieren, warum es uns gibt, wann wir sterben werden und was nach dem Tode geschieht, verschwendet ein Tier nicht einen Gedanken daran, ob es überhaupt auf der Welt ist.«
    Während er geredet hatte, war Haberland zu seinem Hund gegangen. Er kniete sich hin und nahm liebevoll den wuscheligen Kopf in beide Hände.
    »Tarzan hier kann sich noch nicht einmal im Spiegel erkennen.«
    Marc rieb sich etwas Blut von einer Augenbraue, dann glitt sein Blick zum Fenster. Für einen kurzen Moment hatte er geglaubt, dort draußen ein Licht in der Dunkelheit gesehen zu haben, doch dann war ihm klar geworden, dass das Glas nur das Flackern des Kamins widerspiegelte. Der Regen musste zurückgekommen sein, denn die Scheibe war außen mit winzigen Tropfen überzogen. Nach einer Weile entdeckte er sein eigenes Spiegelbild weit draußen in der Dunkelheit über dem See.
    »Nun, ich sehe mich noch, aber wie kann ich wissen, dass der Spiegel nicht lügt?«
    »Was hat Sie denn zu der Annahme verleitet, Sie würden an Wahnvorstellungen leiden?«, stellte Haberland die Gegenfrage.
    Marc konzentrierte sich wieder auf die Tröpfchen an der Scheibe. Sein Spiegelbild schien zu zerlaufen. Nun, wie wäre es zum Beispiel mit Hochhäusern, die sich in Luft aufläsen, kurz nachdem ich sie verlassen habe? Mit Menschen, die in meinem Keller gefangen gehalten werden und mir Bücher übergeben, in denen ich nachlesen kann, was mir in wenigen Sekunden zustoßen wird? Ach ja, und dann wären da noch die Toten, die plötzlich wiederauferstehen.
    »Weil es für all das, was mir heute widerfahren ist, keine logische Erklärung gibt«, sagte er leise. »0 doch, die gibt es.«
    Marc schnellte herum. »Welche? Bitte sagen Sie es mir.«
    »Ich fürchte, dafür fehlt uns die Zeit.« Haberland sah schon wieder auf seine Uhr. »Uns bleibt nicht mehr viel, bevor Sie endgültig von hier verschwinden müssen.«
    »Wovon sprechen Sie?«, fragte Marc, griff sich seine Waffe vom Couchtisch und stand auf. »Gehören Sie etwa auch zu denen? Stecken Sie da mit drin?« Er richtete die Pistole auf den Kopf des Psychiaters. Haberland streckte ihm abwehrend beide Hände entgegen. »Es ist nicht so, wie Sie denken.«
    »Ach ja, und woher wissen Sie das?«
    Der Professor schüttelte mitleidig den Kopf. »Raus mit der Sprache!« Marc schrie so laut, dass die Adern am Hals hervortraten. »Was wissen Sie über mich?«
    Die Antwort nahm ihm die Luft zum Atmen. »Alles.«
    Das Feuer loderte auf. Marc musste wegsehen, auf einmal ertrugen seine Augen die Helligkeit nicht mehr.
    »Ich weiß alles, Mare. Und Sie wissen es auch. Sie wollen es nur nicht wahrhaben.«
    »Dann, dann …« Marcs Augen begannen zu tränen. « … dann sagen Sie es mir bitte. Was geschieht hier mit mir?«
    »Nein, nein, nein.« Haberland faltete die Hände beschwörend wie zum Gebet. »So funktioniert das nicht. Glauben Sie mir. Jede Erkenntnis ist wertlos, wenn sie nicht von innen kommt.«
    »Das ist doch scheiße!«, brüllte Marc und schloss kurz die Augen, um sich besser auf den Schmerz in der Schulter konzentrieren zu können. Bevor er weiterredete, schluckte er das Blut herunter, das sich in seinem Mund angesammelt hatte. »Sagen Sie mir sofort, was hier gespielt wird, oder, ich schwöre bei Gott, ich bringe Sie um.«
    Jetzt zielte er nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher