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Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Titel: Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Autoren: Franziska Steinhauer
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Vergleichsaufnahmen zu erleichtern, zum anderen, weil wir wissen wollten, ob er womöglich Verletzungen an den knöchernen Strukturen aufweist. Klar ist: Es handelt sich um einen Mann. Er starb nicht an einem Schlag auf den Kopf, auch nicht an einem Schuss durch den Schädel. Und er hat ein künstliches Kniegelenk. Das wird die Identifikation wesentlich vereinfachen.«
    Er begegnete dem verständnislosen Blick des Hauptkommissars. »Die Gelenke haben eine Seriennummer. So kann man herausfinden, wem, wann, wo von wem diese Endoprothese implantiert wurde. Wir werden gleich feststellen, von welcher Firma das Gelenk ist – und dann fragen wir dort nach, wohin es geliefert wurde. Das ist natürlich gerade in diesem Fall von Bedeutung, wo ja sonst nicht viel bleibt, das man identifizieren könnte.«
    Nachtigall nickte.
    Der Körper war an einigen Stellen fast vollständig skelettiert, an anderen schien er überraschend intakt. Die Schädelknochen waren weitgehend freigelegt, die Kopfhaut wirkte seltsam verrutscht, die Augenhöhlen blickten leer.
    »Ist am ehesten ein Ergebnis von Tierfraß«, stellte der zweite Rechtsmediziner fest und griff nach einem Instrument, das einem Haken glich. Er reichte es an Dr. Pankratz weiter.
    »Und nun, die Überraschung. Sieh mal, Peter, das ist wirklich ungewöhnlich. Das am Körper verbliebene Gewebe ist konturlos schwammig. Und es gibt einige typische Veränderungen an der Haut.«
    »Typisch wofür?«, presste Nachtigall hervor, während er beobachtete, wie Dr. Pankratz mit dem Haken das Gewebe bearbeitete.
    »Typisch für – Gefrierbrand!«
    »Gefrier… Das ist nicht dein Ernst!«, ächzte der Hauptkommissar.
    »Doch. Der Körper war komplett eingefroren«, beharrte Dr. Pankratz.
    »Der ganze Mann? Das ist doch völlig unmöglich!« Der Leichengeruch füllte Nachtigalls Lungen. Hastig riss er nun doch ein Taschentuch aus der Hosentasche und hielt es vor Mund und Nase.
    »Unmöglich ist es nicht. Du brauchst nur eine Truhe, die groß genug ist. Meine Tante hat auch so ein Ding. Die Familie lebt in permanenter Sorge, sie könnte mal beim Kramen hineinfallen. Man muss bei unserem Toten davon ausgehen, dass die Umhüllung im Laufe der Zeit undicht wurde. Vielleicht war die Folie auch von Anfang an zu klein. Jedenfalls ist Feuchtigkeit eingedrungen – es entstand Gefrierbrand.«
    »Wie lang?« Nachtigalls Stimme klang dumpf durch den bunten Stoff.
    »Das kann ich dir nicht sagen. Er war aber vollständig durchgefroren. Unter dem Mikroskop siehst du, dass die Zellen aufgeplatzt sind. Deshalb ist das verbliebene Gewebe so weich.«
    »Hm.«
    »Eine Hand fehlt, ein Fuß ebenfalls, von der rechten Hand konnten wir am Fundort wenigstens die Mittelhandknochen sichern. Am linken Bein ist deutlich mehr Gewebe erhalten als am rechten. Siehst du, hier ist die Muskulatur an Waden- und Schienbein zur Hälfte, am Oberschenkel fast vollständig erhalten. Dieser Bereich war durch einen Verband geschützt. Madenfraß ist feststellbar. Im rechten Hosenbein war ein langer Riss, der von allerhand Aasfressern als Einstiegspforte genutzt wurde. Wir haben auch Nagespuren an den Knochen entdeckt, das heißt, auch wendige aasfressende Säuger konnten in dieses Hosenbein hineinschlüpfen. Deshalb fehlt an diesem Bein das Gewebe fast vollständig.«
    »Wie alt war das Opfer etwa? Kannst du dazu schon etwas sagen?«
    »Zwischen 20 und 30.« Konzentriert arbeitete der Gerichtsmediziner weiter.
    »So früh schon ein künstliches Kniegelenk?«, staunte Nachtigall. »Ein Unfall?«
    »Rheuma«, antwortete Dr. Pankratz knapp, der gerade dabei war, eine schon vorhandene Öffnung oberhalb des Bauchnabels aufzudehnen, um die inneren Organe begutachten zu können. »Mäusekot.«
    Nachtigall würgte. Er drehte sich etwas zur Seite und bemühte sich, den Brechreiz unter Kontrolle zu bringen.
    Hatte der Täter genau das beabsichtigt? Jedermann sollte sich mit Grausen von der Leiche abwenden? Oder war ihm gar nicht bewusst gewesen, was mit dem Körper auf dem Feld geschehen würde?
    »Viel Material für eine Untersuchung haben wir hier nicht mehr. Alle inneren Organe befinden sich im Zustand fortgeschrittener Verwesung, sie sind teilweise verflüssigt. Tierfraß ist an allen Stellen mit erhaltener Gewebestruktur feststellbar«, erklärte der Rechtsmediziner unbeeindruckt. »Wir sichern ein paar Proben für weitere Analysen – aber viel wird nicht möglich sein«, erklärte Dr. Pankratz und legte Gewebeproben in
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