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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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hydriert?«
    »Ein schräger Vogel, die Miss Ginger Ale. Weder Fisch noch Fleisch. Als würde da irgendwas fehlen.«
    »Hat sie Ihre Avancen zurückgewiesen?«
    »Die ist zu jung für mich, besten Dank. Außerdem ist sie nicht der Avancen-Typ.«
    »Zu unschuldig für diese Welt?«
    »Bitte! Es spottet schon der Naturgesetze, dass sich so eine Schönheit überhaupt in diese Lounge verirrt.«
    »Oh, danke, da fühle ich mich gleich viel besser.«
    »Sie wissen schon, wie es gemeint war.«
    Sie nickte. Sie und Rick schauten zu dem einzigen anderen Menschen in der Bar hinüber – irgendeinem menschlichen Super- GAU , einem Typen, der früher wahrscheinlich an den Wochenenden Hockey gespielt hat, aber allmählich Speck ansetzte, so auf halbem Weg zwischen William Hurt und Gérard Depardieu. Er sah definitiv so aus, als könne er ein Nickerchen gebrauchen.
    Rick fühlte etwas Verbindendes zwischen sich und der Frau, eine Stimmung erhöhter Aufmerksamkeit, die einen erfasst, wenn man sich auf etwas freut. Rick schaute auf seine Uhr.
    Die Frau meinte: »Sieht aus, als würden Sie auch auf jemanden warten.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Im Ernst? Auf wen denn?«
    »Sie werden Augen machen.«
    »Ich werde Augen machen ? Ist es etwa – George Clooney? Oder vielleicht Reese Witherspoon mit einer Horde Muppets?«
    »Es ist jemand, den Sie erkennen werden.«
    Die Neugierde der Frau war geweckt. »Sie meinen das ernst.«
    »Und wie.«
    »Puh. Wann soll Ihr Promi denn auftauchen?«
    »Muss jeden Moment so weit sein. Und was ist mit Ihrem Date?«
    »Auch jeden Moment.«
    Rick, enthemmt durch die bevorstehende Ankunft von Leslie Freemont, warf einen Gesprächsköder aus. »Wissen Sie, ich hab heute viel über die Zeit nachgedacht.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Wäre es nicht irgendwie cool«, sagte er, »wenn in genau diesem Moment die Zeit stehen bliebe?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Einfach so eben. Ich hab zum Beispiel mal meinen Vater nach England begleitet, um meine Großmutter zu sehen, die wegen eines Emphysems im Sterben lag. Da saßen wir eines Morgens in einem Zug von London nach sonst wo, und plötzlich blieb das Ding stehen, unser Waggon noch halb in einem Tunnel. Der Lokführer stellte den Motor aus, und dann kam eine Durchsage, dass wir alle zwei Schweigeminuten einlegen sollten, und alle verstummten und guckten auf ihre Knie, selbst die Fußballhooligans mit ihren Handys – es war, als hätte sich das Universum plötzlich abgeschaltet, und die ganze Welt war fast schon weihevoll, so als wäre das Leben plötzlich ganz religiös, aber religiös in einem guten Sinn, und plötzlich waren alle die bestmögliche Version ihrer selbst.«
    Die Frau schaute Rick an. »Ich heiße Karen.«
    »Rick.«
    Sie gaben sich die Hand, während der fertige Typ am anderen Ende der Bar herüberstarrte und den Moment verdarb, indem er einen Scotch bestellte.

LUKE
    Luke hält sich an einem Scotch fest und fragt sich, wie es kommt, dass Menschen sich so pudelwohl fühlen, wenn sie Geld in der Tasche haben – klinisch, wissenschaftlich, medizinisch gesehen pudelwohl . Welche Stoffe werden da im Körper freigesetzt? Welche Nervenzellen werden blockiert? Und woher rührt die unumstößliche Tatsache, dass Geld zu haben – ein bisschen Geld, egal wie viel – sich immer besser anfühlt, als keins zu haben? Am Ende der pampigen E-Mail, die er gestern von den Organisatorinnen des Kuchenbasars bekommen hatte, hatte ein Zitat gestanden, eins dieser Zitate, die automatisch von irgendeinem Internetprogramm angehängt werden. Offenbar hatte es die beflissene Komiteetante überlesen, denn es stammte von Oscar Wilde: »Das Dumme am Armsein ist, dass es deine ganze Zeit beansprucht.« Wie wahr.
    Aber Luke ist Pfarrer einer Kirche, die vor Ort besser unter dem Namen »Kirche an der Highwayausfahrt« bekannt ist als unter ihrem eigentlichen, Kirche des Neuen Glaubens, und hat daher so seine eigene Einstellung zum Thema Geld. Er weiß, dass die Fähigkeit, das Verstreichen der Zeit zu empfinden, und die Freiheit, das Meiste aus dieser Zeit zu machen, die Menschen von allen anderen Lebewesen auf der Erde – vielleicht sogar im Universum – unterscheidet. Delphine, Raben und Labradore kommen zwar dicht an diese Leistungen heran, haben aber keine Vorstellung von der Zukunft. Sie verstehen Ursache und Wirkung, aber sie planen nicht voraus. Deswegen muss man Hunde in Hundeshows auch von einer Aufgabe zur nächsten führen, sie können nicht vorausplanen. Sie leben in
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