Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
bei ihr abgeschrieben, also konnte sie ihn mal. Sobald er in der Stadt war, würde er sich in irgendeinem Protzladen ein Paar ultra-chefmäßige Schuhe kaufen und sich nie wieder seines schäbigen Billigkettenschuhwerks schämen müssen.
    Was ist denn das? Sie hat ihn gerade angesehen – und sie lächelt? Aber hallo !
    Aber hallo !, und dennoch: lähmende Angst. Von außen betrachtet entzückend, von innen höchstwahrscheinlich monströs – wenn seine frühere Gemeinde irgendein Maßstab sein kann. Wahrscheinlich ist sie süchtig nach Videospielen und Onlineshopping und ruiniert ihre Eltern mit einer Orgie in Merino, Farbton Auster, und Alpaka, Farbton Flechte. Lust auf einen kleinen Plausch? Zweifelhaft. Sie würde ihm wahrscheinlich eher eine SMS schicken, selbst wenn sie kurz vor dem Crash zusammen in einem Auto sitzen würden – wahrscheinlich beherrscht sie siebzehn verschiedene Softwareprogramme und versteht es routiniert, ihre stündlichen Besuche auf Seiten mit grausigen militärischen Fotostreams zu verbergen. Wahrscheinlich erinnert sie sich nicht mehr an 9 /11 oder den Y2K-Virus und wird sich nie die Mühe machen, eine neue Sprache zu erlernen, weil ihr ja eine Maschine in 0,034 Sekunden die Welt übersetzen kann. Aber vor allem ist diese coole Hitchcock-Blondine ein lebender, atmender, knackigerSchlussstrich unter Lukes ganze Existenz, ein Schlussstrich, der so was sagt wie: Das ist jetzt der Neue Durchschnitt, Luke, und weißt du was? – Du kannst dich eintüten und wegwerfen, und Sie , Herr Pastor, Reverend, werter Herr, Sie haben Ihre kulturelle Berechtigung überlebt, Sie, Vater, sehen Sie es mir nach, gehören auf den Schrottplatz der Kultur und sind nicht einmal recycelbar. Gehen Sie doch hin und drängen Sie sich Schutz suchend zwischen die anderen abgemeldeten Tattergreise dort an der Theke. Vergleicht eure schlabberigen Truthahnhälse und Knetgummitaillen und bekommt einen verklärten Blick, wenn ihr über den Zusammenbruch des Kommunismus und die letzte Episode von Friends debattiert.
    Obwohl er sich all das klargemacht hatte, blieb Luke unsicher, was er tun sollte. Kulturelle Bedeutungslosigkeit hin oder her, er hatte seit über einem Jahr kein Date mehr gehabt. Ein Date: Er könnte sich selbst ohrfeigen für seine euphemistische Ausdrucksweise. Luke hatte seit Jahren nicht mehr gebumst .
    Er erwiderte das Lächeln der Blondine, die ein bisschen verlegen wirkte. Mit einem Nicken lud er sie ein an die Theke. Sie erstarrte, und Luke dachte: Scheiße, zu forsch . Doch dann stand sie auf und kam mit einem seltsamen mechanischen Gang zu Luke herüber. Er überlegte, ob sie vielleicht Model war und Models einfach heutzutage so liefen. Sie ist so hübsch , dachte Luke. Hübsch wie eine Zeichentrickfigur . Sie ist eine Barbie-Puppe .
    Sie trat an Luke heran, berührte den Hocker neben seinem und sagte: »Ich werde mich hier hinsetzen.«
    »Nur zu.«
    Sie setzte sich auf den Hocker, aber ihre Körpersprache weckte den Eindruck, als hätte sie noch nie auf einem Barhocker gesessen und müsste es erst lernen, so wie man Schlittschuhlaufen oder Jonglieren lernt. Sie fand ihr Gleichgewicht und starrte die Flaschen vor der Spiegelwand der Bar an. Luke betrachtete sie, und es schien ihr nichts auszumachen, angestarrt zu werden. Er sagte: »Kommt einKerl in eine Kneipe, und der Barkeeper sieht ihn an und sagt: ›He, was soll das sein – ein Witz?‹«
    Auch wenn Luke eine Reaktion erhofft haben sollte, er bekam keine. »Ich heiße Luke.«
    Eine Pause entstand. »Ich heiße …« Eine weitere Pause. »… Rachel.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Rachel.«
    »Ja.«
    Luke fühlte sich weit außerhalb seiner Spielklasse und dementsprechend unbeholfen. Er musste noch etwas zu trinken bestellen und vielleicht ein paar Snacks, aber womit fütterte man eine Frau wie diese – Hamburger aus Pantherfleisch? Pfauenleber auf Ritz-Crackern? Nehmen schöne Frauen überhaupt Nahrung zu sich? »Darf ich Ihnen etwas bestellen?«
    »Oh. Ja. Ein Ginger Ale, bitte.«
    »Prima. Barkeeper?« Luke machte Rick auf sich aufmerksam, was ihm aber nur halb gelang, da Rick beobachtete, wie das liebende Internetpärchen miteinander auskam.
    »Was darf ich Ihnen bringen?«
    »Ein Ginger Ale für Rachel hier und einen Glenfiddich mit Eis für mich.«
    »Kommt sofort.«
    Luke griff in seine Jackentasche nach einem der Geldbündel und warf einen Fünfzigdollarschein auf die Theke, und das katapultierte ihn plötzlich in der Zeit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher