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Spiel Satz Tod - Kriminalroman

Spiel Satz Tod - Kriminalroman

Titel: Spiel Satz Tod - Kriminalroman
Autoren: Aufbau
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im Winter schlecht beheizt und im Sommer kaum gekühlt werden. Viel schlechter als in den Hauptgebäuden ist es dort allerdings auch nicht. Eine zentrale Klimaanlage besitzt lediglich der Verwaltungstrakt. Ansonsten findet sich dieser Luxus nur in den einzelnen Klassenzimmern, wodurch die Korridore dem texanischen Klima gnadenlos ausgeliefert sind. Im Frühjahr und Herbst herrscht dort drückende Hitze, im Winter dagegen macht uns die feuchte Kälte blaugefrorene Finger und rote Wangen.
    Das Schwindelgefühl unterdrückend, das mir jede Höhe bereitet, lehnte ich mich ein wenig über das Geländer, um noch einen Augenblick lang Freds weißen Kopf zu sehen, bis er hinter derselben Tür verschwand, die Mr. Richards vor wenigen Minuten so geräuschvoll durchschritten hatte. Ich wollte mich gerade wieder aufrichten, als mehrere Fremde, angeführt von unserem Direktor Larry Gonzales, hereinkamen. Das wollte ich nicht verpassen.
    Larry demonstrierte gerade seinen Schlossherrengang, was hieß, dass dies Personen von besonderer Wichtigkeit sein mussten. Wie Besucher jeweils einzustufen waren, konnte jeder Lehrer an Larrys Gang erkennen. Meine Freundin Laura und ich hatten dafür eine ganze Bewertungsskala aufgestellt. Am häufigsten war er im Abwimmelgang anzutreffen, der für Schüler und Lehrer bestimmt war: lange, eilige Schritte, der Blick auf ein Blatt Papier geheftet oder ein Handy am Ohr, was Taubheit für alles andere bedeutete. Damit eilte der Direktor mit maximaler Effizienz durch die Gänge des Hauses. Der PTA 1 -Gang, kurz »Knackarsch« genannt, war den Eltern vorbehalten: kurze, schnelle Schritte, die Ellenbogen an den Leib gedrückt, der Blick auf einen gedachten Punkt am Horizont gerichtet. Damit demonstrierte der Direktor seine Mission und Bedeutung, aber die kurzen Schritte gaben einem entschlossenen Elternteil die Möglichkeit, an seiner Seite zu bleiben, ohne gleich in den Laufschritt verfallen zu müssen. Die Pose des treusorgenden Administrators war für Gruppen von Eltern oder Lehrern gedacht, die akute Probleme an den Direktor herantragen wollten und um die man sich daher besonders kümmern musste, um Unannehmlichkeiten abzuwenden, zum Beispiel empörte Leserbriefe an die Presse oder am Ende gar eine Klage vor Gericht. Diese Pose war kaum ein Gang im üblichen Sinne zu nennen. Sie bestand aus langsamen, maßvollen Schritten, begleitet von häufigem Kopfnicken und einer gelegentlichen sanften Berührung von Schulter oder Unterarm des Betroffenen, um zu demonstrieren, was für ein wunderbarer, mitfühlender Mensch Larry war. Der Schlossherrengang stellte eindeutig die Krönung dar. Er zeichnete sich durch ein hocherhobenes Haupt, weitausgreifende Gesten und eine klingende Stimme aus. Dieser Gang war für Besucher reserviert, auf die Larry Eindruck machen wollte, um bei ihnen etwas zu erreichen.
    Ich fragte mich, wer die Leute da unten wohl waren und was Larry sich von ihnen erhoffte. Denn anders als sonstige Adressaten dieses königlichen Ganges wirkten die drei nicht gerade wie bedeutende Persönlichkeiten. Ein hagerer Blonder mit Pferdeschwanz hielt ein rätselhaftes Gerät in der ausgestreckten Hand und schwenkte es nach allen Seiten. Er ging neben einer ernst dreinblickenden jungen Frau mit schwarzer Hornbrille, die sie offenbar gar nicht brauchte, denn sie saß ihr auf der Nasenspitze, und sie blickte ständigdarüber hinweg. Hinter ihnen trottete ein etwas älterer Mann in Jeans einher, der ständig etwas in einen Notizblock kritzelte. Da sie direkt unter mir durchgingen, hörte ich die Frau sagen: »Ja, das ist absolut perfekt. Einfach phantastisch.«
    Dann bogen sie um eine Ecke. Ich beschloss, in meinen Klassenraum zurückzugehen, denn ich war sicher, dass ich von der Sache bald erfahren würde. Alles, was den Schlossherrengang auslöste, wurde dem Personal kurz darauf bekanntgegeben – zumeist mit unangenehmen Folgen.
    Ich stellte den Stuhl auf, den ich beim Hinauslaufen umgeworfen hatte, und wandte mich wieder dem Poster zu, das ich gerade hatte aufhängen wollen. Ich hatte es mir bis zuletzt aufgehoben. Es sollte in der Ecke angebracht werden, wo alle Schüler es sehen konnten. Das Foto zeigte Lemminge, die sich mit dem Ruf von einer Klippe stürzen: »Wer die Vergangenheit vergisst, ist dazu verdammt, sie noch einmal zu erleben.«
    Als ich von dem Stuhl heruntergestiegen war, schaute ich mich befriedigt um, denn ich fand mein Klassenzimmer fast so anheimelnd wie das von Fred. Zitronenduft
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