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Spiel Satz Tod - Kriminalroman

Spiel Satz Tod - Kriminalroman

Titel: Spiel Satz Tod - Kriminalroman
Autoren: Aufbau
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hat.«
    »Was macht so ein Mannschaftskapitän?«, fragte ich.
    Das interessierte mich eigentlich nicht, aber ich wollte Fred jetzt nicht allein lassen. Seine fahle Gesichtsfarbe und die Art, wie er auf seinem Stuhl hockte, gefielen mir gar nicht. Zum ersten Mal fragte ich mich, wie es wohl um sein Herz bestellt war. Seit Jahren leitete er die Gruppe der Geschichtslehrer. Er war ein lebhafter, leidenschaftlicher Mann, der sich für seine Schüler und die Schule aufopferte. Zuweilen kabbelten wir beide uns um Dinge wie den Lehrplan, aber meist gab ich am Ende nach. Dann sagte ich ihm gern, er sei für mich ein Zeitzeuge der meisten Ereignisse, die wir im Unterricht behandelten. Aber bisher war mir noch nie in den Sinn gekommen, einen alten Mann in ihm zu sehen.
    Lange gab er keine Antwort. Dann schaute er mich verwirrt an. »Entschuldige, was hast du gesagt?«
    »Ich wollte wissen, was der Mannschaftskapitän zu tun hat.«
    »Ach so. Nicht viel. Der Kapitän ist für kleine Dinge zuständig, zum Beispiel, dass die Telefonkette immer funktioniert. Bei Auswärtsspielen ist er mein Assistent. Eigentlich zeigen die Spieler mit der Wahl nur, dass sie ihn respektieren. Und in einem Lebenslauf macht sich der Titel auch ganz gut, denke ich«, fügte er nach einer Weile hinzu.
    Ich runzelte die Stirn. »Dann verstehe ich nicht, was der Kerl mit diesem Auftritt erreichen wollte. Wenn er dich noch einmal unter Druck setzen will, Fred, dann musst du dir Hilfe holen. Am besten, du rufst die Polizei.«
    »Ich glaube nicht, dass das nötig wird«, gab er zurück und wich meinem Blick aus. »Das war eine einmalige Sache. Er ist halt ein bisschen ausgerastet. Mach dir deswegen keine Sorgen.«
    »Ich soll mir keine Sorgen machen? Fred, der Kerl war kurz davor, dich niederzuschlagen. Was geht hier vor?«
    »Nichts. Es ist nichts.« Er erhob sich abrupt und stellte den umgestürzten Tisch wieder auf. Dann ließ er einen letzten prüfenden Blick über sein Klassenzimmer mit den beiden Reihen Stühle und Tische, den weißen Tafeln, den frisch aufgehängten Karten und Postern an den Wänden gleiten. Alles war ordentlich und sauber, bereit für den ersten Unterrichtstag. In der Luft hing noch der Zitronenduft des Putzmittels und der Geruch neuer Bücher – wie immer am Beginn eines neuen Schuljahres voller Verheißungen. »Ich gehe jetzt nach Hause. Alles Übrige kann auch morgen erledigt werden.«
    Vollendeter Gentleman wie immer, hielt er mir die Tür auf und ließ mir damit keine andere Wahl, als mit ihm auf den Gang hinauszutreten. Er schloss seinen Klassenraum ab und ließ einen unsicheren Blick erst über den Korridor und dann über die Treppe gleiten.
    »Fred …«, begann ich, aber er unterbrach mich.
    »Wir sehen uns morgen, Jocelyn.« Damit ging er zur Treppe, wandte sich aber noch einmal um. »Danke dir für … ach, ich sag einfach danke.« Dann lief er mit leichtem Schritt die Treppe hinunter. Jetzt wirkte er gar nicht mehr so alt.
    Mit einem unguten Gefühl sah ich ihm nach.
    Ich denke immer, für die Architekten, die die James Bonham Highschool entworfen haben, sollte ein besonderer Platz in der Hölle reserviert werden. Im Hauptgebäude sind die Gänge der oberen Etage von einem lackierten Metallgeländer gesäumt, das den Blick nach unten freigibt. In einer Schule wie dieser kommt das einer direkten Aufforderung zum Spucken gleich. Wenn man dieses Kleinod der Architektur zum ersten Mal sieht, kann man es gar nicht recht einordnen. Ich habe ein ganzes Jahr gebraucht, bevor ich darauf gekommen bin, und auch das erst, als ich den Film Die Verurteilten gesehen habe. Der Auftrag für einen Schulneubau geht bei einer Ausschreibung stets an den kostengünstigsten Anbieter. In unserem Fall hat der zuletzt für den Bundesstaat Texas ein Gefängnis gebaut. Das ist hier offenbar liebevoll nachempfunden worden. Es zeigt sich in jedem Detail – von den Zementfußböden über die Wände aus Schlackenbeton bis zu den Korridoren ohne jede Klimatisierung. Nur die zufallenden Gittertüren und das Bellen des Wachpersonals fehlen.
    Wer hier einmal rasch vorbeischaut, der findet das vielleicht gar nicht so schlimm. Das Gelände ist weitläufig und mit vielen Bäumen bepflanzt. Die vier Hauptgebäude umstehen einen betonierten Hof. Wenn man aber genauer hinsieht, dann entdeckt man, dass die Bauten mit einem Ring von Wohncontainern ohne jedes Zubehör und anderen Komfort umgeben sind. Darin befinden sich je zwei ungemütliche Klassenräume, die
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