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Spiel, Kuss & Sieg

Spiel, Kuss & Sieg

Titel: Spiel, Kuss & Sieg
Autoren: India Grey
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blickte in das große Stadion, das sich wie eine Arena für Gladiatoren vor ihr erstreckte. Mit gesenkten Köpfen und hängenden Schultern kam ihr das englische Team entgegen. Ängstlich schaute Tamsin von einem Spieler zum nächsten. Sie verschwendete keinen Gedanken an die niedergeschlagenen Mienen, sondern empfand nur ungeheure Erleichterung.
    Die Spieler mochten keine Glanzleistung erbracht haben, aber ihre Trikots hatten sich glänzend geschlagen. Und soweit es Tamsin, Designerin der neuen Trikots, anging, war das alles, was zählte. Bislang hatte sie allerlei gehässige Kommentare einstecken müssen, was für ein Zufall es doch sei, dass der prestigeträchtige Auftrag ausgerechnet bei der Tochter des neuen RFU-Vorsitzenden gelandet sei. Jeder Fehler grenzte also an geschäftlichen Selbstmord.
    Sie fuhr mit der Hand durch die kurzen platinblonden Haare und rieb sich die müden Augen. Deshalb durften die Probleme, die gestern bei der Produktion der Trikots aufgetreten waren, auch nie publik werden.
    Am Eingang des Tunnels traf sie der harte Ostwind mit voller Wucht. Selbst der lange Wintermantel, den sie über dem dünnen Cocktailkleid trug, hielt die Kälte nicht ab. Gestern Abend hatte sie die Wohltätigkeitsveranstaltung früh verlassen und war sofort in die Fabrik gefahren. Daher war ihr keine Zeit mehr geblieben, sich zu Hause umzuziehen. Zehn Stunden, diverse Hilfeanrufe bei Serena und Unmengen schwarzer Kaffee später war sie in Besitz von exakt der Anzahl Trikots, die auf dem Feld benötigt wurden – das ganze Spiel hindurch hatte sie gebetet, dass es keine Auswechslungen geben würde. Erst allmählich atmete sie wieder leichter.
    Das Gefühl hielt ungefähr zehn Sekunden.
    Dann umfing sie namenloses Entsetzen. Tamsin schaute zur Leinwand am südlichen Ende des Stadions. Alle Luft wurde aus ihren Lungen gepresst und durch etwas ähnlich Tödliches wie Napalm ersetzt.
    Er.
    Deswegen hatte England also verloren.
    Alejandro D’Arienzo war zurück. Und diesmal spielte er im Team der Gegner.
    Tamsin klopfte das Herz bis zum Hals. Wie oft hatte sie in den vergangenen sechs Jahren schon geglaubt, Alejandro zu sehen? Wie oft hatte sie sich auf der Straße nach einem großen dunkelhaarigen Mann umgedreht, um ihn noch einmal zu betrachten? Wie oft hatte sie schon geglaubt, sein markantes Profil in einem schnittigen Sportwagen gesehen zu haben – nur um dann herbe Enttäuschung und gleichzeitig extreme Erleichterung zu empfinden, als ihr klar wurde, dass sie einen weit weniger charismatischen Fremden anstarrte?
    Doch beim Anblick des übergroßen Bildes auf der Leinwand, des muskulösen Körpers, der breiten Schultern wusste sie, dass ihr kein Aufschub mehr vergönnt war.
    Die Zuschauer brachen in spontanen Jubel aus, als die Kamera näher heranzoomte, und sein ernstes Gesicht unter dem Schriftzug Man of the Match erschien. Er trug noch den Mundschutz, der die Sinnlichkeit seiner vollen Lippen zusätzlich betonte. Eine Sekunde lang blickte er direkt in die Kamera.
    Es fühlte sich an, als würde er sie ansehen.
    Tamsin wollte den Blick abwenden, doch ein beinahe masochistischer Wesenszug zwang sie, hilflos den Bildschirm anzustarren. Plötzlich war sie wieder achtzehn, ängstlich und aufgeregt, als ihre Blicke sich in Harcourt Manor begegnet waren und Alejandro auf sie zugegangen war …
    Die englischen Spieler hatten sich auf beiden Seiten des Tunnels aufgestellt und zollten dem gegnerischen Team klatschend Beifall. Auf einmal scherte Ben Saunders, einer der jüngeren englischen Spieler, aus der Reihe aus und begann, zurück aufs Spielfeld zu gehen. Wie betäubt verfolgte Tamsin, wie er sein Trikot über den Kopf zog und es Alejandro in einer sportlichen Geste des Respekts entgegenhielt.
    Eine Sekunde rührte sich der stolze Argentinier nicht. Angespanntes Schweigen senkte sich über das Stadion. Es war, als hielten alle den Atem an, um zu sehen, ob Alejandro D’Arienzo, vormals Star der englischen Mannschaft, das Trikot annehmen würde.
    Und dann brach abermals lautstarker Jubel aus, als Alejandro den Saum seines eigenen Trikots fasste und es langsam auszog. Auf den Leinwänden erschien Zentimeter für Zentimeter sein muskulöser, bronzefarbener Bauch. Und dann, während er das Trikot über seinen Kopf zog, schrie und lärmte das Publikum vor Begeisterung, als die tätowierte Sonne – das Symbol Argentiniens – über seinem Herzen zum Vorschein kam.
    Nur undeutlich war Tamsin sich bewusst, dass sie die
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