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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
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ein mehrfach gefaltetes und mit einem Siegel versehenes Schriftstück hoch. »Mr Pence, ist dies Ihre Unterschrift?«
    Cyns Vater hatte das untere Ende der Treppe erreicht. Er hielt den Blick gesenkt, schaute nicht einmal hin und begnügte sich mit einem Nicken.
    Stille trat ein, die so schwer und bleiern war, dass Cyn das Gefühl hatte, davon erdrückt zu werden. Zusammen mit den anderen stand sie am oberen Ende der Treppe und schaute zu, wie das Verderben seinen Lauf nahm, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen konnte. Schlimmer noch, Cyn wusste nicht einmal, ob sie noch sie selbst war oder ob in Wahrheit bereits der Wahnsinn von ihr Besitz ergriffen hatte …
    »Gut«, sagte Finlay ohne erkennbare Regung. »In diesem Fall erkläre ich kraft der mir verliehenen Autorität die von Mr Horace Pence aufgenommene Hypothek für erloschen. Sein gesamter Besitz geht damit, wie in dem vor genau einem Jahr unterzeichneten Vertrag festgelegt, in den Besitz des hier anwesenden Mr Desmond Brewster über. Die Übergabe des Gebäudes sowie des gesamten Hausstands hat augenblicklich und ohne Verzögerung zu erfolgen. Zuwiderhandlungen des Schuldners und/oder seiner Angehörigen werden mit Zuchthaus bestr…«
    »Einen Augenblick!«
    Die Stimme kam von draußen. Und sie war so klar und silberhell, dass sie alles andere übertönte.
    »Was zum …?« Unwirsch wischte sich Finlay, der in seinen Ausführungen nicht gerne gestört zu werden schien, über den Bart. Er wandte sich nach der halb geöffneten Tür um – und stieß eine wenig korrekte Verwünschung hervor, als er in das hölzerne Gesicht einer Puppe blickte. »Potztausend«, ereiferte er sich. »Was soll das?«
    Cyn und den anderen blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Denn die Puppe war kein anderer als der Puck, wenn auch mit rußgeschwärzten Wangen und angesengtem Wollhaar. Noch mehr jedoch staunte Cyn, als die Tür vollends aufgestoßen wurde, und sie sehen konnte, wer den Puck auf dem Arm trug.
    »Milo!«
    Ihr Herz machte vor Freude einen Sprung.
    Cyn wusste weder, was in der Zwischenzeit geschehen sein mochte, noch, wie der Junge hierherkam. Nur eines wurde ihr in diesem Moment voller Erleichterung klar: Sie hatte sich das alles nicht nur eingebildet.
    Hals über Kopf rannte und stolperte sie die Treppe hinab, an ihrem Vater vorbei und auf den Jungen zu, der ihr lächelnd entgegensah. Schon im nächsten Moment war sie bei ihm und fiel ihm um den Hals.
    »Cyn!«
    »Milo, ich bin so froh, dich zu sehen!«, flüsterte sie und drückte ihn fest an sich, so als fürchtete sie, er könnte im nächsten Moment wieder verschwinden.
    »Was soll das Theater?«, schnarrte Brewster unwirsch.
    »Junger Mann«, ließ sich auch Finlay vernehmen, »die Gentlemen sind gerade dabei, ein Geschäft abzuwickeln!«
    »Ich weiß«, versicherte Milo, der noch immer die viel zu große, rußbefleckte Uniform des Theaterdieners trug, die ihn wie einen Obdachlosen aussehen ließ. »Deshalb bin ich hier.«
    »Tatsächlich?« Cyns Vater hob fragend eine Braue. »Wie darf ich das verstehen, junger Mann?«
    »Mein Name ist Milo«, stellte er sich vor. Er befreite sich aus Cyns Umarmung, übergab ihr den Puck und hielt ihrem Vater die Hand hin. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Sir.«
    »Milo«, brummte Finlay. »Und weiter?«
    »Einfach nur Milo«, versicherte der Junge lächelnd.
    »Es freut mich, dich kennenzulernen, Milo«, erwiderte der alte Horace und drückte ihm jovial die Hand. »Meine Tochter scheinst du ja bereits zu kennen. Und wenn ich ehrlich sein soll, habe auch ich das Gefühl, dir schon einmal begegnet zu sein. Jedenfalls erinnere ich mich an deine Stimme …«
    »Muss ich mir diesen Unsinn anhören?«, nörgelte Brewster ungeduldig. »Finlay, tun Sie endlich ihre Pflicht und walten Sie Ihres Amtes. Das Theater gehört jetzt mir, also werfen Sie Pence und seine verkommene Verwandtschaft hinaus, ehe ich …«
    »Noch nicht«, erhob Milo abermals Einspruch. »Die Rechtsfolgen wurden dem Schuldner noch nicht vollständig vorgetragen, also ist die Besitzübergabe noch nicht rechtskräftig.«
    »Ist das wahr?« Brewsters Geiergesicht wandte sich dem Polizisten zu, seine Blicke schienen ihn zu durchbohren.
    »Ich fürchte ja, Sir«, bestätigte dieser, während er sich stirnrunzelnd zu erinnern suchte, wo er stehen geblieben war. »Ach ja«, meinte er dann und verfiel wieder in denselben gleichgültigen Singsang wie vorhin: »Zuwiderhandlungen des Schuldners und/oder seiner
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