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Spiel der Angst (German Edition)

Spiel der Angst (German Edition)

Titel: Spiel der Angst (German Edition)
Autoren: Veit Etzold
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Marines.
    Sah die Unsicherheit.
    Sollten sie schießen? Oder nicht?
    Man kannte die Geschichten der Scharfschützen, die einen Entführer auch dann trafen, wenn er die Geisel umklammert hielt. So ähnlich war es hier auch.
    Aber Geschichten waren Geschichten. Und die Realität war die Realität.
    Und da konnte es durchaus passieren, dass einer der Marines auf Jonathan schoss. Und stattdessen seinen eigenen Kollegen erwischte.
    Doch von einer Sekunde auf die andere änderte sich die Relevanz dieser Frage.
    Denn schießen konnte man nur auf etwas, was existierte. Und was vor allem im eigenen Blickfeld war.
    »Wollen Sie sich umbringen?«, hatte einer der Schützen gefragt.
    »Mich nicht«, sagte Jonathan. »Wenn schon, uns beide.«
    Das waren seine letzten Worte.
    Und dann sprang er.
    Und beide – Jonathan und der schwarze Angreifer – verschwanden in der bodenlosen Tiefe.
    Ein langgezogener Schrei, der langsam leiser wurde, gellte aus der Tiefe, der mit einem Mal abrupt abbrach und von einem dumpfen Krachen abgelöst wurde.
    Emily konnte ihnen nicht hinterherblicken. Sie schaute noch immer auf den Zünder wie ein Kaninchen auf die Schlange.
    Ein zweiter Marine rannte zu ihr.
    Noch zehn Sekunden.
    »Geben Sie her, dafür sind wir ausgebildet worden!«
    Sie reichte ihm anstandslos den Zünder. Jetzt konnte sie ohnehin nur noch hoffen.
    Der Mann rannte zu Ryan, drückte auf einen der Knöpfe und kniff mit einer kleinen Zange einen Draht durch.
    Der Countdown lief weiter.
    Acht.
    Sieben.
    Sechs.
    Emilys und Ryans Blicke trafen sich.
    Zum letzten Mal?
    Fünf.
    Vier.
    Drei.
    Zwei.
    Alles lief in Zeitlupe ab. Die Marines, die an den Abgrund traten und nach unten schauten, der Sprengexperte, der sich an Ryan zu schaffen machte, Ryans Augen, die sie noch einmal anblickten. Und es war ihr, als würde sie automatisch mitsterben, wenn Ryan etwas passieren würde.
    Eins.
    Und nichts.
    Der Marine zog Ryan den Sprenggürtel aus und warf ihn weit von sich. Dann öffnete er die Fesseln.
    Sie lief auf Ryan zu, langsam, unsicher, wie ferngesteuert.
    Dann nahm sie ihn in die Arme, hielt ihn so fest, wie sie ihn noch nie gehalten hatte.
    Es war zu Ende, dachte sie.
    Jonathan war tot. Und Ryan lebte.

78
    Sie hielt Ryan fest umklammert.
    »Emily … ich … liebe … dich«, brachte er noch hervor. Dann verlor er das Bewusstsein.
    Einer der Marines hatte ein Handy am Ohr, rief einen Krankenwagen.
    »Sie müssen ihn jetzt leider erst mal wieder loslassen, Miss«, sagte einer der schwarz gekleideten Männer und nahm Ryan zwischen sich und einen Kollegen. »Wir bringen ihn sicher nach unten und dann in ein Krankenhaus. Sie können dann gleich zu ihm. Versprochen.«
    Emily hatte noch immer nicht alles begriffen.
    In ihrem Kopf drehte sich alles.
    »Mein Vater hat Sie geschickt?«, fragte er. »Wieso? Woher weiß er …«
    »Das wird Ihnen Ihr Vater sicher persönlich erzählen, Ms Waters«, antwortete der Marine. »Nur so viel: Ihr Vater hat Sie in New York besucht.« Er zeigte auf Emilys Hand. »Und er hat Ihnen diesen schönen Ring geschenkt.«
    Langsam begriff sie. Er hatte doch nicht etwa …
    »In dem Ring«, sprach der Marine weiter, »ist ein Peilsender, durch den wir immer wussten, wo sie waren.«
    Ihr Vater hatte sie beschatten lassen. Seitdem er sie im Krankenhaus besucht hatte. Der Ring war kein Geschenk. Er bedeutete Überwachung. Auch wenn das nun höchstwahrscheinlich ihr Leben gerettet hatte, fühlte sie sich verraten und betrogen.
    »Ich weiß, was Sie fühlen, Miss«, sagte der Marine, »aber Sie sollten Ihrem Vater dankbar sein. Ohne ihn wären Sie jetzt tot.«
    »Und warum wart ihr nicht schon da, als ich mit Julia durch diesen ewig langen Gang hindurchmusste? Unter dem Fluss hindurch?« Emily funkelte ihn vorwurfsvoll an.
    »Unter dem Fluss?« Dem Marine war das sichtlich unangenehm.
    »Unter dem Fluss«, wiederholte Emily. »Dieser Irre hat uns auf eine Reise unter den East River geschickt.«
    »Dann gibt es diesen Gang also wirklich«, sagte der Marine. Er blinzelte einen Moment in den Abendhimmel. »Wie auch immer, da unten gibt es keinen Empfang. Die Erde. Das Wasser.« Er zuckte die Schultern. »Vergessen Sie’s. Wir haben uns verdammte Sorgen gemacht, als der Empfang plötzlich weg war. Als sie dann wieder hochgekommen sind, hatten wir sie wieder.«
    »Und zugreifen konnten Sie erst …«, begann Emily.
    »… als Jonathan auch aufgetaucht war. Es passte zum Timing. Die Nacht vor Ihrem Geburtstag. Das Finale. Ihr
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