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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition)
Autoren: Alina Bronsky
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bloß, Papa?« Meine Kehle fühlt sich rau und heiß an. Ich schiebe mich an meinen Großeltern vorbei, setze mich an den Bettrand. Ksü bleibt in einiger Entfernung stehen. Jaro nickt ihr freundlich zu und richtet seine Augen wieder auf mich.
    Mein Vater sieht den Polizisten an.
    »Sie können jetzt gehen«, sagt er sehr leise.
    »Aber«, der Polizist holt in einer Bewegung einen Stift und einen Notizblock mit Vordrucken hervor.
    »Sie können gehen.«
    Der Polizist zuckt mit den Schultern. Dann gehorcht er.
    Papa schaut Ksü an, sein Gesicht verzieht sich.
    »Sie bleibt hier«, sage ich.
    Mein Vater muss sehr schwach sein, denn er widerspricht nicht. In seinem Gesicht bewegen sich jetzt nur die Augen und die Lippen. »Ich will mit dir allein sprechen«, raschelt es in meine Richtung.
    »Ich traue dir nicht.«
    Pause, Blicke, Stille. Ich strecke meinen Arm aus. Meine Finger verschränken sich mit Ksüs.
    Ingrid steht auf. Sie sieht mich nicht an. Vielleicht widert sie mein blaues Haar an. Sie hat sich in der Zwischenzeit offenbar abgewöhnt, mich für ihre Enkelin zu halten. Zischend und mit den Armen rudernd scheucht sie meine kleinen Geschwister aus dem Raum, Reto folgt ihnen. Ich sehe Jaro und Kassie hinterher. Ich bin gekommen, um sie zu unserer Mutter zu bringen, es gefällt mir nicht, dass sie jetzt außer Sichtweite verschwinden.
    Kaum fällt die Tür hinter ihnen zu, legt mein Vater seine Hand auf meine. Ich zucke zusammen. Sie ist eiskalt und trocken.
    »Was ist mit dir, Papa? Hast du dich irgendwo angesteckt?«
    »Deine Mutter«, sagt mein Vater sehr leise. »Deine Mutter hat deine Schwester gerufen.«
    »Meinen Bruder auch«, wende ich der Vollständigkeit halber ein.
    »Weißt du, wo deine Mutter ist? Du musst sie holen.«
    »Was?« Ich schüttele seine Hand ab. »Ist es dein Ernst? Nach allem, was passiert ist? Du hast sie in die Falle gelockt und dann der Sonderbrigade ausgeliefert. Wäre sie nicht geflohen, hätte ich sie nie wiedergesehen.«
    »Aufpassen«, sagt Ksü warnend hinter meinem Rücken.
    Ich presse mir die Hand auf die Lippen.
    »Ich frage dich nicht nach deinen Geheimnissen«, sagt mein Vater kaum hörbar. Es muss ihm wirklich sehr schlecht gehen. »Ich brauche deine Mutter. Nur sie kann mir helfen.«
    »Warum?«
    »Weil sie eine Phee ist.«
    Ich bin mir sicher, dass es eine erneute Falle ist. Vielleicht ist er gar nicht so krank.
    Ich schwanke zwischen Hass und Mitgefühl, im Moment gibt es für mich nichts dazwischen.
    »Ich habe meinen Antrag zurückgezogen, Juli.« Ich muss mich anstrengen, um ihn zu verstehen. Ich will aufstehen, aber mein Vater versucht mich an der Jacke festzuhalten. Seine Finger rutschen ab.
    »Deiner Mutter wird nichts passieren, das garantiere ich.«
    »Was willst du schon wieder von ihr?«
    Mein Vater schaut mich an.
    »Es gibt etwas, was du nicht weißt.«
    »Dann sag es mir.«
    Es ist klar, dass er es nicht gern tut. Aber er weiß auch, dass er mich nicht mehr zwingen kann, irgendwas für ihn zu tun. Er muss mich überzeugen.
    »Deine Mutter hat mir einmal das Leben gerettet«, flüstert mein Vater.
    Ksü hört hinter meinem Rücken auf zu atmen.
    »Eine tolle Art, ihr zu danken«, sage ich. »Hattest du etwa auch einen Unfall?«
    Mein Vater sucht meinen Blick. Ich schaue in seine kaffeebraunen matten Augen. »Ich war sehr krank«, sagt er. »Ich hatte keine Kraft mehr. Sie hat mir das Weiterleben ermöglicht.«
    »Eure Abmachung«, sage ich.
    »Ja.« Er schaut überrascht. »Ich habe ihr allerdings im Gegenzug … auch geholfen.«
    Ich frage nicht nach. Mir wird etwas ganz anderes klar.
    »Deswegen also ist sie vor Gericht nicht so untergegangen wie alle anderen Pheen. Weil du wusstest, dass du sie vielleicht noch brauchst.«
    »Schreckliche … Dinge … passieren durch Pheen«, bringt mein Vater hervor.
    Ich nicke automatisch.
    Wir sind eine Weile still. Die Uhr tickt, mein Vater atmet schwer.
    »Aber warum hast du sie dann auf diese Liste setzen lassen?«
    Er schließt die Augen.
    »Ich muss es verstehen«, sage ich hart.
    »Mit Pheen ist man nie auf der sicheren Seite«, flüstert mein Vater. »Sie bleiben gefährlich. Ich hatte zu sehr Angst, alles zu verlieren.«
    »Aber solltest du nicht zuallererst Angst um dich haben, wenn du sie verrätst? Oder …« Mir geht ein Licht auf. »Du hast jemanden gefunden, mit dem du sie ersetzen konntest. Der dich an ihrer Stelle am Leben hält. Hast du eine andere Phee kennengelernt?«
    »Nein, nein.« Die Mundwinkel
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