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SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)
Autoren: Hilmar Schmundt
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an Lesegeräten finde ich störend, sie lenken mich vom Eigentlichen ab: dem Fluss der Erzählung.
    „Skeuomorph“ wird im Englischen die oberflächliche Nachahmung traditioneller Techniken genannt. Die frühen Automobile erinnerten mit ihrem kastenartigen Aufbau noch an Pferdekutschen, erst später setzten sich die aerodynamischen, flacheren Formen durch.

Gutenbergs neue Galaxis
    „Wie geht es eigentlich Marshall McLuhan? Ist er immer noch tot?“ Dieser Witz kursiert unter Freunden der Medientheorie. McLuhan hatte vorausgesagt, dass die Ära des Gedruckten zu Ende gehe. Marshall McLuhan wird wieder viel gelesen, aber seine Theorien des Medienwandels werden teils anders gedeutet als früher. Viele Medienhistoriker betonen heute weniger den abrupten Umbruch der Mediengewohnheiten als die Kontinuität des Wandels. Und war nicht Gutenberg selbst ein Hacker? Waren es nicht die von ihm erfundenen beweglichen Lettern, welche die Verflüssigung und Digitalisierung der Literatur vorwegnahmen? Kann man das Papierbuch damit nicht vielleicht tatsächlich als Prototyp des E-Books betrachten?
    „Die Parallelen zwischen seinem Unternehmen und StartUps aus dem Silicon Valley sind auffällig“, schreibt Jeff Jarvis in seinem Buch „ Gutenberg the Geek “. Jarvis ist Professor für „Entrepreneurial Journalism“ an der City University of New York. Nur fünfzig Jahre nach Gutenbergs Erfindung waren 20 Millionen Buchkopien hergestellt worden, mehr als im gesamten Jahrtausend zuvor.
    Er sei extra nach Mainz gereist, um sein Buch über Gutenberg zu schreiben, erzählte mir Jarvis am Rande der Konferenz „Digital Life Design“ im Januar 2013. Er halte Gutenberg für den Schutzheiligen des Silicon Valley, „mit seinem Bibeldruck hat er die Grundlagen für die Industrielle Revolution geschaffen.“
    Diese Vorstellung hat Tradition. Am 4. Juli 1971, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, tippte der Internetpionier Michael Hart direkt nach dem Feuerwerk das Gründungsdokument der USA in einen Institutsrechner der University of Illinois: die Unabhängigkeitserklärung. Er benachrichtigte Kollegen, die ebenfalls am Arpanet hingen, dem Vorläufernetz des Internet, etwa hundert Leute. Sechs von ihnen luden sich das Dokument herunter.
    Michael Hart, Sohn eines Shakespeare-Forschers und einer Mathematikerin, machte trotzdem weiter. Er beschloss, so viele Bücher wie möglich digital und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Er gründete eine digitale Bibliothek, die er „Project Gutenberg“ nannte. Inzwischen umfasst sie 40 000 Dokumente. Hart liebte Bücher, in jeder Form, als er vor zwei Jahren starb, war sein Haus mit riesigen Bücherstapeln vollgestellt.

Stiftungsfinanzierte E-Books
    Unter dem Büro von Stephen Engelberg in New York wird mal wieder demonstriert, als ich ihn im Oktober 2011 besuche. Die Leute laufen in Richtung Börse, wir sind in Manhattan, bleiben aber an Straßensperren hängen, ein junger Mann schwenkt ein Plakat, auf dem „Make Love, Not Money“ steht.
    Engelbergs Büro liegt im 23. Stock, er tanzt durch den Raum, auf seinem Bildschirm läuft ein Video, Engelberg singt mit, „We’re gonna bet against the American Dream“, wir werden gegen den amerikanischen Traum wetten, der Song stammt aus dem Broadway-Musical „ The Producers “.
    Engelbergs Team gilt als Speerspitze einer neuen Form von Öffentlichkeit. Engelbergs ist Managing Editor bei ProPublica, einer Redaktion ganz neuer Art. ProPublica gibt keine Zeitung heraus, betreibt keinen Verlag, hat keine Radiofrequenz – und produziert trotzdem Journalismus, Bücher, Radioprogramme. Der Dienst ist kostenlos, Engelberg und seine Mitarbeiter werden trotzdem gut bezahlt.
    Das Video, zu dem Engelberg mitsingt, ist Teil einer Geschichte, die seine Leute veröffentlicht haben und an der man ganz gut erklären kann, wie sie hier arbeiten.
    Zunächst einmal recherchierten die Journalisten Jesse Eisinger und Jake Bernstein die Tricks, mit denen die Finanzbranche nach dem Crash einfach weitermachte. Sie fanden genug heraus, um zehn große Geschichten zu schreiben, als Serie unter dem Titel „ The Wall Street Money Machine “ stellte ProPublica die Texte in Netz.
    Kollegen machten aus dem Material aber auch einen Comic und eine aufwendige, lange Radiosendung, in Zusammenarbeit mit dem National Public Radio (NPR). Für das Radio kam der Song aus „The Producers“ hinzu, die Zeile passte zu gut. Wir werden gegen den amerikanischen Traum wetten. Natürlich
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