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SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)
Autoren: Hilmar Schmundt
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hinke dem amerikanischen um ungefähr fünf Jahre hinterher, sagt Warner. In Deutschland würden viele Verlage noch immer glauben, dass sie vielleicht an den E-Books vorbeikommen könnten.
    Warner wiederum kommt sich manchmal schon wie ein Nostalgiker vor, weil er E-Books am liebsten auf speziellen Lesegeräten liest. E-Book-Reader kommen schon wieder aus der Mode. Der Trend geht zu Tablet-Computern und zum Lesen am Handy, schreibt Warner in „ Vom Buch zum Byte “, einer kleinen Geschichte des elektronischen Lesens. In Japan werde besonders viel auf Telefonen gelesen:
    „Ein Gutteil der E-Book-Dynamik des japanischen Marktes fand bis 2010 fast ausschließlich auf dem Handy statt. Das Portal ‚Maho no Iland‘ gehörte mit mehr als 3, 5 Milliarden Pageviews pro Monat in den Nuller Jahren zu den zehn meistbesuchten Websites in Japan. Interessant ist aber auch die mediale Reihenfolge, die sich im Land der aufgehenden Sonne etablierte. War ein Handy-Roman besonders erfolgreich, wurde er anschließend auch gedruckt. Um noch mal ein paar Zahlen zu nennen: die ‚Boy meets Girl‘-Geschichte ‚Koizora‘ z.B. verkaufte sich bis 2010 auf dem Handy 25 Millionen mal, als Printfassung drei Millionen mal. Dabei geht es nicht nur um unterschiedliche Leseerlebnisse: Viele Leser kaufen sich nach der Lektüre auf dem Display ganz einfach eine teuer gestaltete Hardcover-Version als emotional aufgeladenes Souvenir.“
    Die japanische Medienabfolge vom Handy-Text zum gedruckten Buch könnte sich auch in anderen Ländern durchsetzen. Der Erotikroman „Fifty Shades of Grey“ zum Beispiel hat sich erst im Internet verbreitet und erst danach weltweit sechs Millionen Mal als Paperback verkauft. Schließlich kam er im Februar 2013, pünktlich zum Valentinstag, als Hardcover heraus. Verkehrte Welt.
    Das Lesen am Handy ist gewöhnungsbedürftig, hat aber viele Vorteile. Kurz vor Joachim Gaucks Amtsantritt war ich in Bangkok, ich hörte, dass seine Autobiografie gut sein soll. Leider hatte ich meinen Kindle im Flugzeug liegen gelassen. Nicht so schlimm, schließlich wartet ja meine Bibliothek in der Bücherwolke auf mich. Ich legte mich am Pool in die Hängematte und begann die Biografie zu lesen – auf einem iPhone. Irgendwann bekam ich so etwas wie einen Tennisdaumen oder Textdaumen vom vielen Umblättern, weil die Seiten so winzig sind. Aber es ging.
    Mit meinem neuen Android-Gerät mit seinem riesigen Bildschirm (4,8 Zoll) wird es bequemer. Pro Seite zeigt es fast doppelt soviel Text an. Spezielle E-Reader haben es dagegen immer schwerer: 2013 soll der Verkauf um 36 Prozent zurückgehen im Vergleich zum Vorjahr, sagen Marktforscher voraus. Die spezialisierten Lesegeräte sind anscheinend nur eine Übergangsform, die schon bald antiquiert und klobig erscheinen dürfte, so wie es zuvor mit MP3-Playern und Kleinkameras ging, deren Funktionen vom Smartphone aufgesaugt wurden.
    Mein Buchleseverhalten verändert sich, wird fluide. Morgens lese ich manchmal ein kostenloses Probekapitel eines neu erschienenen Buches. Manche Instant-Bücher sind ohnehin fast so aktuell wie ein Wochenmagazin. Wenn abends meine Augen müde werden, lesen mir die Autoren ihre Bücher vor. Am nächsten Morgen in der U-Bahn zeigt mir mein Smartphone automatisch die Stelle, an der ich am Tag zuvor aufgehört habe zu lesen, weil es im Hintergrund aktualisiert worden ist über die Funktion namens „Whispersync“ – Flüsterabgleich. Meine Bücher sprechen sozusagen über mich hinter meinem Rücken. Wenn ich auf die Amazon-Seite gehe, werde ich täglich mit einem anderen Zitat aus dem Fundus meiner eigenen Unterstreichungen begrüßt, um das Gelesene wieder aufzufrischen. E-Books wollen nicht nur gelesen werden, sie drängeln sich mit pädagogische Nachdruck hartnäckig bis in mein Gedächtnis. Natürlich lässt sich auch diese Erinnerungsfunktion abschalten.
    All diese neuen Lesarten erfordern ein ständiges Umlernen. Nicht einmal die Seitenzahl taugt noch als zuverlässiger Referenzpunkt. Vor einer Weile las Jeffrey Eugenides in Berlin aus seinem jüngsten Roman „Die Liebeshandlung“. Mit der Suchfunktion fand ich rasch die Stelle, die er vortrug. „Welche Seite?“, fragt eine Frau, die neben mir saß. „Sieben Prozent“, flüsterte ich etwas hilflos. Sie schaut mich verständnislos an. E-Books zeigen oft keine Seitenzahlen an; denn ihre Schriftgröße lässt sich verstellen, was besonders für ältere Leser mit Sehschwäche von Vorteil ist. Doch was sind
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