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Sperrzone Fukushima

Sperrzone Fukushima

Titel: Sperrzone Fukushima
Autoren: William T. Vollmann
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ein Opfer war, dann bedeutete das, dass einen niemand heiratete, also wollte ich keinen.«
    Er fuhr fort: »Wer nah an der Kuppel gelebt hat« – dem Hypozentrum der Explosion –, »der sagt es nicht, weil man sonst diskriminiert wird.«
    »Wie viele Jahre hat es gedauert, bis die Radioaktivität verschwunden war?«
    »Da bin ich mir nicht sicher, aber 1945 hieß es, fünfzig Jahre lang würden keine Pflanzen mehr wachsen, und schon bald spross das Unkraut wieder.«
    »Glauben Sie, der Reaktorunfall von Fukushima könnte die Menschen hier tangieren?«
    »Ich glaube, für mich ist er eher unwichtig. Das betrifft mich nicht. Im Museum werden Sie sehen, von der Atombombe bekommt man Verbrennungen, und die Haare fallen einem aus«, erklärte er weise, und so hielten wir dort, am Ufer das Flusses Hongkawa, im weißrosa Gewölk der Kirschblüte.
    Ich besuchte das Friedensgedenkmuseum von Hiroshima, und das Herz wurde mir so graubraun wie ein versalzenes Reisfeld. Die fleckigen Fetzen der Sommeruniform und des Unterkleides, die das dreizehnjährige Schulmädchen Oshita Nobuko sich genäht hatte, oh ja, diese plattgedrückten, ausgeblichenen blutfleckigen Andenken, musste man mehr sehen als das? So wie man in diesem Museum eine Glühbirne ausgestellt findet, die bis auf einen säuberlichen durchsichtigen Ring an der Fassung schwarz bemalt wurde, um, wie minimal auch immer, die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass die alliierten Bomber nächtliche Ziele ausmachen konnten, so konnte ich von verschiedenen Fragen und Aspekten der Radioaktivität das Wenige sehen, was es zu sehen gab; und ich habe Ihnen überliefert, was ich gesehen habe. Was habe ich schon gesehen? Was habe ich schon verstanden?
    In Hiroshima registrierte mein Dosimeter alle 24 Stunden 0,2 Millirem – das Doppelte der Hintergrundstrahlung von Tokio. Zuerst glaubte ich, auf irgendeinen Überrest der Bombe gestoßen zu sein, aber ein amerikanischer Dosimetrist befand später, der Messwert bewege sich wahrscheinlich im Rahmen des Regelwerts aus der Voratomzeit für dieses Gebiet. 41
    Auf der Bank gegenüber den Ruinen der Industrie- und Handelskammer mit ihrer Atombombenkuppel saß ein Kind mit Pferdeschwanz auf dem Schoß seiner jungen Mutter, kicherte und rieb seine Nase an ihrer; durch die leeren Fensteröffnungen im Mauerwerk leuchtete der blaue Himmel.
    Dann begann es Blütenblätter zu regnen, sie verloren sich auf dem Weiß der Gehwegplatten aus Granit, schwebten herab auf das lange schwarze Haar zweier junger Frauen, die einander gegenübersaßen und Kaffee tranken.
     

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