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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum
Autoren: Sergej Lukianenko
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das Geräusch des am Felsgestein entlangknirschenden Metalls nicht zu dämpfen vermochte. Möglicherweise konnte der Sicherheitsschaum den Fall aus großer Höhe nicht abfangen oder das Notfallsystem reagierte nicht so sensibel auf Beschuss durch eine Thermowaffe, wie das bei den an Pylonen hängenden Triebwerken der Fall war.
    »Tut mir sehr leid«, brachte Martin hervor, der die Waffe wegwarf, aus deren Kolben ein rotes Feuer loderte. »Aber ihr habt damit angefangen.«
    In der Replik Doggars, die vom Boden aus zu ihm herüberklang, schwang Wut mit: »Martin! Wenn meine Leute zu Schaden gekommen sind, presse ich dir das Blut tröpfchenweise heraus!«
    »Vielen Dank, das mach ich schon selbst!«, erwiderte Martin, der den Deckel des Safes aufschraubte.
    Im Safe lag eine Schaltung, eine halbtransparente, an Milchglas erinnernde dreieckige Platte. Der Zünder für eine unbekannte Rasse … Martin warf ihn weg.
    Dann schnitt er sich mit dem Messer in die Hand und schüttelte einige Tropfen Blut auf den Boden des steinernen Kelchs.

Fünf
     
    Die Logik versagte hier, die gute alte Logik, der beste Freund des Verstands, Auch die Intuition verfing nicht, diese zuverlässige Krücke des Instinkts.
    Es war nur ein Eindruck, angesiedelt an der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit.
    So musste es sein!
    Jeder konnte hierherkommen und sich Allmacht holen! Jeder musste die Parole in sich bergen – und was eignete sich als Träger besser als Blut?
    Das galt schon in den Tagen der ersten kleinen Götter, vor denen sich die primitiven Stammväter verneigt hatten. Und in den Tagen der grausamen Götter, denen der Geschmack von Blut so gefiel. Das uralte Gedächtnis der Menschheit hatte diese Wahrheit gespeichert, vielleicht schon seit dem ersten Besuch der Schließer. Selbst als die Verbindung zwischen den Welten gekappt wurde, als Talisman nicht mehr zugänglich war, vergoss man nach wie vor Blut an Opferstätten und Altären, im vergeblichen Gebet, gerichtet an ein schweigendes Firmament.
    Martin schraubte die steinerne Abdeckung des Safes zu. Er stellte an seiner Uhr die Zeit ein, vierundzwanzigeinhalb Minuten. Dann legte er sich flach auf den Bauch, die Remington fest in Händen. Ihm war nicht klar, ob die Aranker seine Handlungen verfolgen konnten, aber er wusste genau, dass sie versuchen würden, ihn aufzuhalten.
    »Bist du sicher, dass alles so einfach ist?«, klang es aus dem Nebel zu ihm herüber. Obwohl die lautsprecherverstärkte Stimme einen Teil ihrer Intonation einbüßte, entging Martin die Neugier nicht. Die schiere und ungetrübte Neugier eines Naturwissenschaftlers.
    »Das bin ich«, sagte Martin. »Was ist? Schließen wir Frieden?«
    Doggar brach in ein unfrohes Gelächter aus. »Das kann ich nicht. Du bist zu weit gegangen. Ich kann dir nichts Schlechtes nachsagen, der Eintrag in unserer Datenbank ist ausgesprochen positiv … aber du bist kein Aranker.«
    »Das bin ich nicht«, bestätigte Martin. »Tut mir aufrichtig leid.«
    »Dir ist doch wohl klar, dass du es nicht mit dreißig Profis aufnehmen kannst«, drang Doggar weiter in ihn. »Vor allem da deine Thermowaffe inzwischen entladen sein müsste.«
    »Überzeug dich nur davon«, empfahl Martin ihm. Er richtete den Lauf aus und versuchte, im Visier wenigstens etwas mehr als den milchigen Schleier zu entdecken. Mist! Er war praktisch blind. »Was hast du da übrigens gerade von den Profis gesagt? Du meinst damit doch nicht etwa diese jungen Wissenschaftler?«
    »Ein Spezialist ist wie eine Beigabe«, erwiderte Doggar. »Aber eine harmonisch entwickelte Persönlichkeit muss alles können. Martin … ich habe dir ein gutes Angebot zu machen!«
    »Ja?«, rief Martin. Sie beide spielten auf Zeit – und das konnte nur eins heißen: Es pirschten sich im Nebel unsichtbare, harmonisch entwickelte Aranker an ihn heran.
    »Ergib dich. Wir werden dir und deiner Freundin das Leben lassen. Ihr werdet vorübergehend verbannt … an ein angenehmes Fleckchen auf unserem Planeten. Sobald wir den Zugang zu Talisman für die Allgemeinheit freigeben, bekommt ihr eure Freiheit zurück.«
    »Klingt verlockend …«, versicherte Martin. Ein kaum wahrnehmbarer Schatten kroch durch den Nebel. Er nahm ihn ins Visier.
    »Und?«
    »Nein!«, rief er und zog den Hahn. Ein kurzer Aufschrei überzeugte ihn davon, dass er sich die Bewegung nicht eingebildet hatte.
    »Was bist du nur für ein Idiot …«, brachte Doggar bekümmert hervor. »Du gewinnst nichts, wenn du auf meine Leute
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