Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
schießt.«
    »Habe ich getroffen?«, wollte Martin wissen.
    »Ja«, gab Doggar zu.
    »Alles klar«, erwiderte Martin. »Und jetzt A-4!«
    Abermals schoss er auf einen huschenden Schatten.
    »Verletzt«, kommentierte Doggar. »Aber noch hast du niemanden getötet. Damit bleibt dir deine Chance erhalten.«
    »Worauf wartest du?«, rief Martin, der sich um sich selbst drehte. »Willst du deine Leute nicht verlieren? Fehlt dir der Mumm?«
    Nebel … überall dichter weißer Nebel. Und im Safe die Blutstropfen, hineingegeben in der naiven Hoffnung, das Blut werde sich in einen Zünder verwandeln.
    »Ich will dich nicht töten«, antwortete Doggar gelassen. »Du hast deine Qualitäten. Du bist zum Geheimnis von Talisman vorgedrungen. Die Schließer interessieren sich für dich … ihre Meinung wird schon bald nicht mehr von Belang sein, aber trotzdem … Wozu sollte ich einen Feind umbringen, wenn ich aus ihm einen Freund machen kann?«
    Martin schwieg. Doggar schien nicht zu lügen – und darin lag die Krux. Es war irgendwie schmerzlich, in einer solchen Konstellation auf die im Grunde ganz anständigen Aranker zu schießen …
    »Ich brauchte nur einen Befehl zu erteilen«, fuhr Doggar fort, »und hier würde alles in Flammen aufgehen. Ist dir das klar? Ich brauchte meine Jungs noch nicht mal in einen Nahkampf zu schicken. Eine Salve aus dem Plasmawerfer … und ich kann dir versichern, dem Schützen sitzt der Finger ziemlich locker am Abzug!«
    »Was hält dich davon ab?«, fragte Martin. Es blieben noch zwölf Minuten. Beinahe eine Ewigkeit.
    Ein leichter Lärm und ein gedämpftes, nicht zu verstehendes Gespräch ließen Martin aufmerken. Danach meinte Doggar weit fröhlicher: »Die Lage hat sich verändert, Martin. Wir haben deine Freundin.«
    »Du lügst«, behauptete Martin. Irgendetwas musste er ja sagen.
    »Irina-ken, sagen Sie doch etwas«, bat Doggar höflich.
    »Komm nicht raus, Martin!«, erschallte Irinas Stimme im Nebel. »Sie werden mir nichts tun!«
    »Das könnte schon sein«, mischte sich Doggar. »Aber ob er davon überzeugt ist? Und bist du dir so sicher, Irina?«
    »Das ist ekelhaft!«, brüllte Martin. »Eine Frau als Geisel zu nehmen …«
    »Wenn man damit zwei Leben retten kann – warum nicht?«, wunderte sich Doggar. »Also, ich schlage dir vor, aufzustehen und vorwärts zu gehen. Die Waffe solltest du dabei besser nicht in Händen halten.«
    Martin schloss die Augen. Er strich über den warmen Steindeckel, unter dem sein Zünder heranreifte.
    »Martin!«, sagte Irina.
    »Ich bin hier«, erwiderte Martin, ohne die Augen zu öffnen.
    »Sie können dich wirklich mit dem Plasmawerfer ausschalten«, warnte Irina ihn traurig. »Doggars Hubschrauber ist auf den Felsen gelandet, auf einem Steilhang … das ist eine sehr günstige Position.«
    »Und was schlägst du vor?«, wollte Martin wissen.
    Irina brach in Gelächter aus. »Ich liebe dich. Komm nicht raus, Martin!«
    Es folgte Lärm, ein schwacher nur, dann senkte sich Stille herab.
    »Doggar-ken, Irina soll irgendwas sagen«, bat Martin und hob den Kopf.
    Doggar antwortete nicht sofort. »Es tut mir wirklich sehr leid, Martin-ken. Irina hat nicht gelogen. Wir haben uns auf der höchsten Stelle postiert. Sie … vielleicht sind das die Folgen des Paralysators …«
    Martin versuchte, sich beim Zielen an der Stimme zu orientieren. In seiner Seele gähnte Leere.
    »Es tut mir sehr leid«, wiederholte Doggar. »Sie ist gerade vom Hang gestürzt. Ich sehe sie noch … wenn auch vage. Falls du jetzt herauskommen solltest, würden wir versuchen, sie zu bergen. Unsere Medizin …«
    »Sie hat mich gebeten, nicht herauszukommen«, erinnerte Martin ihn und eröffnete das Feuer.
    Vielleicht hatte sein Glück ihn verlassen, vielleicht hatte der Nebel es erschwert, die Richtung zu bestimmen. Jedenfalls seufzte Doggar nur. »Es tut mir so leid …«, sagte er dann noch.
    Im nächsten Moment knallten die Gewehre los.
    Aus irgendeinem Grund hatte Martin damit gerechnet, die Aranker würden ihn mit Thermowaffen beschießen. Doch entweder erfreute sich die Waffe keiner Beliebtheit bei ihnen oder sie hielten Kugeln für zuverlässiger. Die prasselten gegen die Steine wie ein heftiger Sommerhagel auf ein Blechdach. Die Salve ging über ihn hinweg – und zwar keineswegs in großer Höhe. Unmittelbar vor Martins Gesicht fuhr ein dünner, langer Pfeil aus silbernem Metall in den Stein. Ein weiterer spaltete den schwarzen Kristall des Felsens, worauf steinerne
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher