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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum
Autoren: Sergej Lukianenko
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herauszufinden.«
    Da begriff Martin, dass er die Antwort kannte.
    »Hast du dich entschieden?«
    Er wünschte sich etwas – und es wurde still. So still, dass sogar das Rauschen der Hintergrundstrahlung verstummte, die seit Anbeginn der Schöpfung durch den Raum floss.
    Und dann lauschte Martin.
    Auf dem kleinen Planeten Talisman, der vor fünfhundertvierzigtausenddreihundertzweiundsechzig Jahren, drei Monaten, zwei Tagen, vier Stunden, acht Minuten, fünf Sekunden und sechzehn unteilbaren Zeiteinheiten geschaffen worden war, stand inmitten der lodernden Felsen der ehemalige Mensch namens Martin. Und die Zeit stand geduldig still, bis er seine Wahl getroffen hatte.

Epilog
    Weiß
     
     
    »Dann senkte der Mensch namens Martin den Kopf«, sagte Martin. »Der Fels unter ihm glühte und brannte sich sogar durch seine Stiefel. Und dann ging er auf die Frau zu, die er liebte. Und als er endlich bei ihr angelangt war, hatte er Löcher in den Schuhen.«
    »Einsam ist es hier und traurig«, urteilte der Schließer. »Ich habe schon viele solche Geschichten gehört, Wanderer.«
    »Du geschupptes Drecksvieh!«, schrie Martin, während er aufsprang. »Du machst dich über mich lustig!«
    Der Schließer grinste, seine Pfeife paffend. Es war ein hochgewachsener, kräftiger Schließer mit glänzendem schwarzen Fell, das seine Schuppen bedeckte, und einer weichen, beruhigenden Stimme.
    »Ich mache mich nicht über dich lustig, ich lache. Was ist? Darf man sich nicht mal mehr einen Scherz erlauben?«
    »Sechs geschlagene Stunden erzähle ich jetzt schon … wenn nicht sogar sieben!«, empörte sich Martin, der sich wieder in den Sessel setzte. »Ein Scherz! Erlaubt ihr euch öfter solche Scherze?«
    »Nur selten. Aber das ist ja auch ein besonderer Fall.«
    »Du hast geantwortet!«, rief Martin. »Eben! Du hast mir gerade eine absolut eindeutige Antwort gegeben! Ich habe dich erwischt!«
    »Wir antworten immer«, brachte der Schließer würdevoll hervor. »Man muss nur verstehen, was eine Antwort ist.«
    Martin nickte. Er streckte die Hand aus, worauf der Schließer eine alte eingerauchte Pfeife in sie hineinlegte, Martins Lieblingspfeife, die er auf der Erde zurückgelassen hatte und die sein Arbeitszimmer eigentlich nie verließ.
    Doch Martin zündete sie nicht sogleich an. Zuvor betrachtete er den Schließer und fragte: »Was ist dort? Was kommt weiter?«
    Der Schließer seufzte. »Um das zu verstehen, musst du den nächsten Schritt tun. Du musst aufhören, vernünftig zu sein, und die nächste Stufe erklimmen. Und du …«
    »Davor hatte ich Angst. Wie ihr …«, gestand Martin mit Bitterkeit ein.
    »Nein«, meinte der Schließer kopfschüttelnd. »Du hattest keine Angst. Im Gegenteil, du warst so kühn, zurückzugehen. Wir konnten uns dazu nicht durchringen. Wir nahmen alles, was der Verstand uns gab. Alles, was der Verstand nur auszuhalten vermag.«
    »Und Ilja Muromez bekam vom Recken Swjatogor ein wenig Kraft«, sagte Martin. »Gerade so viel, dass die Erde ihn noch zu tragen vermochte …«
    »Ich kenne die Geschichte«, meinte der Schließer.
    »Das ist ein Märchen«, korrigierte Martin ihn.
    »Alle Märchen der Welt sind letzten Endes wahrheitsgetreue Geschichten«, gab der Schließer zu bedenken. »Du weißt doch, dass die Geschichte lediglich etwas über ihren Erzähler aussagt.«
    »Und welche Geschichte soll ich auf meinem Planeten erzählen?«, fragte Martin.
    »Erzähle die Wahrheit, Martin. Erzähle, dass es zwei Wege gibt. Einer von ihnen gibt dir alles, was du dir nur wünschen kannst. Der andere gibt dir etwas mehr, aber du bist nicht in der Lage zu verstehen, was.«
    »Ich weiß, wie die Wahl aussehen wird«, sagte Martin und fing an, seine Pfeife zu stopfen.
    Der Schließer schüttelte den Kopf. »Bist du da sicher?«, fragte er. »Du selbst hast doch auch verzichtet. Warum eigentlich?«
    »Der Chateau Lafette«, holte Martin aus, »ist ein Wein wie jeder andere …«
    Der Schließer runzelte die Stirn.
    »Es wäre nicht richtig gewesen«, erklärte Martin. »Verstehst du? Zu einfach und darum etwas zu fad. Mir ist jetzt klar, warum die Götter im Olymp nur Ambrosia trinken. Dem Wein der Menschen gewinnen sie nichts mehr ab.«
    »Ich verstehe dich immer noch nicht«, gab der Schließer zu.
    »Ich liebe das Leben«, bekannte Martin unumwunden. »Da mag man mich ruhig Snob nennen. Aber ich liebe gute Musik und auserlesene Weine, interessante Bücher und einen klugen Gesprächspartner. Ich liebe es, wenn die
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