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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Autoren: Florian Opitz
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automatisch auf unsere Innenwelt, und das hilft mir, ruhiger zu werden. Im Sport nennt man es ›mentales Training‹. Man kann es auch ›Meditation‹ nennen. Also, es hilft mir dann, später zur Höchstform aufzulaufen. Ich lasse das, was hinterher passieren wird, vor meinem geistigen Auge ablaufen wie ein Formel-eins-Rennfahrer vor seinem Rennen oder ein Zehnkämpfer vor dem Hundertmeterlauf, genauso mach ich das eben auch.« Aha, das merke ich mir. Die Worte kamen mir irgendwie bekannt vor. Aus der Sportschau oder so.
    Das Seminar beginnt. Ich suche mir schnell einen Platz im großen Kongresssaal und versuche, möglichst unauffällig in der Menge unterzutauchen. Ich setze mich an den Rand, damit ich schnell mal rausgehen kann, wenn’s nötig ist. Auf meinem Platz liegen diverse Arbeitsmappen und Prospekte zu den Themen »So können Sie noch erfolgreicher werden«, »Mut für Visionen« und »Das neue Zeit- und Lebensmanagement«, die meine Sitznachbarn schon neugierig durchblättern und bearbeiten. Den ersten Vortrag des Abends zum Thema »Was Männer mögen und Frauen glücklich macht«, den die Keynote-Speakerin Claudia Enkelmann hält, eine der Veranstalterinnen, lasse ich über mich ergehen. Den Rest des Saals scheint er sehr zu amüsieren. Enkelmanns Vortrag ist mit der feingeistigen Ironie vom Schlage eines Mario Barth oder eines Eckart von Hirschhausen gespickt.
    Anschließend wird der Saal verdunkelt und der Spot auf die Bühne gerichtet. Wieder betritt Frau Enkelmann, rotes Kostüm, knallroter Lippenstift, viel Goldschmuck und Föhnwelle, die Bühne. Diesmal um den Mann und das Thema anzukündigen, derentwegen ich hier bin. Und sie spart nicht mit Superlativen.
    Â»Wenn Ihre Lebenszeit zu kostbar ist, dann müssen wir den besten Zeitexperten Europas einladen, damit er sein Wissen an Sie weitergibt. Einen Mann, der der ›Zeitmanagementpapst‹ genannt wird, einen Mann, der ›Mr Time Balance‹ genannt wird, einen Mann, der unglaubliche Rekorde geschlagen hat. Seine Bücher sind zu Bestsellern geworden. Alle. Sie alle kennen Titel wie Mehr Zeit fürs Wesentliche , Sie alle kennen die Bärenstrategie , und mit Sicherheit haben Sie alle schon den fantastischen Titel gehört: Gehe langsam, wenn du es eilig hast . Und spätestens wenn Sie jetzt nicht beeindruckt sind, sind Sie von der nächsten Zahl beeindruckt, dieser Mann hat über fünf Millionen Bücher verkauft; das heißt, er muss was richtig gemacht haben. Freuen Sie sich jetzt bitte auf den one and only Prof. Dr. Lothar Seiwert.«
    Nach dieser sensationellen Ankündigung bin ich noch gespannter auf das, was mich erwartet. Wenn das alles stimmt, was Frau Enkelmann da gesagt hat, dann müsste es ja mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht hier und heute Abend schon eine Lösung für mein Zeitproblem fände.
    Lothar Seiwert betritt die Bühne, gibt Frau Enkelmann ein Küsschen rechts und links und beginnt sofort mit seiner Show. Hinter ihm hängt ein überdimensionales Plakat mit der Aufschrift »Die Welt braucht erfolgreiche Menschen«.
    Â»Zu einem erfolgreichen Umgang mit der Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehören zwei Dinge«, beginnt Seiwert. »Techniken und unsere innere Einstellung. Was glauben Sie, wie viel kommt es bei einem erfolgreichen Umgang mit der Zeit auf Techniken, Methoden an und zu wie viel spielt Ihre innere Einstellung, Ihr Verhalten eine Rolle?« Das Publikum zögert, aber Seiwert spricht sofort eine Frau in der ersten Reihe an und fragt sie noch einmal. Sie antwortet: »Neunzig zu zehn oder achtzig zu zwanzig?«
    Das sei bei jedem unterschiedlich, antwortet Seiwert. Er persönlich sei aber überzeugt, dass es weniger die Techniken und Methoden seien, sondern dass es auf unsere Einstellung, unsere Power und unsere Selbstdisziplin ankäme, und er wolle uns heute Abend beides mit auf den Weg geben.
    Mein Zeitproblem liegt also an meiner Einstellung. Zack. Das hat gesessen. Seiwert ist die ganze Zeit in Bewegung, läuft auf der Bühne auf und ab und hält ein iPhone in der Hand. »Ich bin ja auch nicht von vorgestern«, sagt er, »ich kann sogar von meinem iPhone aus hier den Rechner steuern. Ist das nicht geil?« Diese Lockerheit kommt an beim gesetzten Publikum mittleren Alters. Dass das Bild flackert und der Ton der Raumanlage völlig
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