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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Autoren: Florian Opitz
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gegeben. Seit fast zwanzig Jahren konzentriert er sich darauf und auf das Schreiben von Ratgebern.
    Sein Spezialgebiet und Lebensthema ist in diesen Jahren das Zeitmanagement geworden. Rein zufällig, wie er sagt. »Zufall heißt, es fällt dir zu, weil es jetzt fällig ist«, sagt er und macht ein erwartungsvolles Gesicht, als ob er von mir eine besondere Reaktion auf diesen Spruch erwarte. Da ich nicht weiß, welche, reagiere ich gar nicht. Es ist einer von diesen typischen Seiwert-Sätzen, von denen ich im Laufe des Abends noch zahlreiche weitere hören werde. Zuerst sei ihm das Thema »Zeitmanagement« eher aufs Auge gedrückt worden. Heute glaubt er, dass das Schicksal seine Hand dabei im Spiel hatte. Heute sei es seine Lebensmission.
    Â»Mein großes Thema und meine Lebensaufgabe ist es, Menschen zu inspirieren, ihr eigener Lebensunternehmer zu sein, der Kapitän oder die Kapitänin ihres eigenen Lebensschiffes zu werden, weil heute der erste Tag vom Rest unseres Lebens beginnt, den wir mit einem neuen Zeitbewusstsein beginnen können.« Wieder so ein druckreifer Satz, den Seiwert ganz bewusst im Leise-laut-Rhythmus betont. In der heutigen Zeit, in der wir in einer Highspeed-Gesellschaft lebten, sei es wichtig, schneller zu sein als der Wettbewerber. Auf der anderen Seite aber sei es fast genauso wichtig herunterzuschalten, zur Ruhe zu kommen, um sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu besinnen. Also sowohl als auch, meint er. Taoistisch gesehen.
    Seiwert versteht sich nicht als Kritiker der Highspeed-Gesellschaft. Im Gegenteil. »Was den internationalen Wettbewerb angeht, so müssen wir schon zulegen«, erklärt er mir. »In unserer Produktivität, Effektivität, Geschwindigkeit. Aber damit wir das auch können, müssen wir wie ein Formel-eins-Rennfahrer auch Boxenstopps einlegen. Bernie Ecclestone hat mal zu einem Fahrer gesagt: ›Go slow and win the race.‹ Diese Devise gilt auch hier. Also, um schneller werden zu können, muss ich auch langsamer sein.« Mir fällt auf, wie häufig Seiwert Vergleiche aus der Welt des Motorsports bemüht.
    Warum die Leute kämen, um ihn live zu sehen, will ich wissen. Sie könnten doch auch einfach einen Ratgeber von ihm kaufen oder eine CD. Das habe sicherlich mit seiner Bekanntheit durch die Bücher zu tun. Aber ein Buch, eine CD, eine DVD kämen eben nicht ans Live-Erlebnis heran. Ihm selbst ginge es ja auch so, wenn er Musikkonzerte besuche – dass man das Original gern live hören möchte. Das zusammen mit anderen zu erleben sei durch nichts zu übertreffen.
    Und was nehmen die Leute mit? »Mindestens drei Dinge. Natürlich mich persönlich erlebt zu haben, dann nehmen sie sicherlich Impulse bezüglich Techniken, Tipps und Tricks mit. Aber das Entscheidende ist, dass sie einen gefühlsmäßigen Eindruck, ein Erlebnis mitnehmen, das sie hoffentlich auch ein Stück berührt, in ihrem Inneren, wo es vielleicht Klick gemacht hat und ich sie auf eine Weise erreicht habe, wie es über Medien nicht gelingen kann.«
    Ein solches Zeitmanagementseminar muss ja eine unglaublich tolle Wirkung auf die Teilnehmer haben, denke ich mir, und hoffe insgeheim, dass sich nach dem heutigen Abend auch in meinem Leben Wesentliches ändert – oder, wie er es nennt, dass heute der erste Tag meines Lebens mit einem neuen Zeitgefühl sein wird.
    Seiwert muss in zehn Minuten auf die Bühne. Das Interview müsse er jetzt leider beenden. Aber ich könne ihm gern noch bei der mentalen Vorbereitung auf den Auftritt zusehen. Ist mir zwar erst mal ein bisschen unangenehm, dem Zeitmanagementguru in diesem kleinen Hotelzimmer bei was auch immer zuzusehen. Aber die Neugier überwiegt dann doch. Schließlich bin ich ja hier, um etwas zu lernen. Seiwert setzt sich in den Sessel, lehnt sich zurück und schließt die Augen. Ich weiß nicht so recht, wohin ich schauen soll. Die Situation ist mir irgendwie peinlich. Dann nimmt Seiwert eine Pose ein, die ich sonst nur bei Leuten kenne, die meditieren. Der wird das doch jetzt nicht tun? Meditation bekomme ich in meinem Kopf irgendwie nicht so recht mit einem Mann in diesem Outfit zusammen.
    Â»Ich bereite mich dadurch vor, dass ich von der Außenwelt in meine Innenwelt gehe. Den ganzen Tag werden wir von äußeren Einflüssen gesteuert, und wenn wir unsere Augen schließen, zur Ruhe kommen, fokussieren wir uns
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