Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spatz mit Familienanschluß

Spatz mit Familienanschluß

Titel: Spatz mit Familienanschluß
Autoren: Othmar Franz Lang
Vom Netzwerk:
und Gemüsehändlers Vittorio erreichte, holten ihn seine Schwestern und die Eltern ein.
    Vittorio saß vor seinem Laden auf einer leeren Obstkiste und las in der »Gazetta dello Sport«. Als er aber die Familie Bergmann bemerkte, sprang er auf, klatschte in die Hände und rief mit lauter, wohltönender Stimme: »Oh, un giomo meraviglioso, tutta la famiglia! Welche Freude! Signora Bergmann, Signore e i ragazzi! Hier, Sie müssen kosten, Nektarinen, hier Trauben, hier Pflaumen, greifen Sie zu. Pfirsiche, frische Feigen, Aprikosen, alles für Sie.«
    »Wau, fein«, rief Stefanie und griff sich eine große Nektarine.
    Mama hatte sich eine Feige genommen, grün und bläulich angelaufen. »Diesmal mache ich meine Drohung wahr, Vittorio«, sagte sie lachend. »Wenn wir heimfahren, nehmen wir Sie samt Ihrem Laden mit.«
    »Machen wir«, lachte Vittorio. »Dann aber nehme ich Frau und bambini auch mit.«
    »Und viel, viel Obst und Gemüse.«
    »Und ich habe dann in Ihrer Stadt — wie sagt man — Sie als Stammkunde. Und Geschäft geht ganzes Jahr gut. Nicht nur zwei, drei Monate im Sommer.«
    »Wäre das etwas, Martin?« fragte Frau Bergmann ihren Mann. »Stell dir vor, das ganze Jahr über Gewürzkräuter in Vittorio-Qualität. Basilikum, Salbei, Oregano, Rosmarin...«
    »Wir sollten jetzt etwas kaufen«, schlug Vater vor. »Vittorio muß doch leben. Wie geht’s der Frau und den Kindern?«
    »Gut, sehr gut, eines ist mehr geworden, erst drei Wochen alt. Im Herbst, im Winter ist viel Zeit, dann kommt im Sommer ein Kind.«
    »Ist das Baby ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Ein Mädchen, Signora, ein schönes Mädchen. Steht jetzt zwei zu zwei. Zwei Jungen, zwei Mädchen.«
    »Und wie heißt Ihre jüngste Tochter?«
    »Rosalba, Signora. Heißt weiße Rose.«
    »So ein schöner Name ist euch nicht eingefallen«, sagte Kathrin vorwurfsvoll zu ihren Eltern.
    »Wir können es ja überlegen«, sagte Vater. »Vielleicht bekommen wir noch ein Mädchen.«
    »Noch eine Schwester?« meldete sich da Markus. »Noch eine Schwester wie diese beiden? Nein, danke.«

Ich glaube, man sollte es nicht nur einem Schriftsteller überlassen, von einer Familie zu erzählen. Schriftsteller sagen viel, wenn der Tag lang ist, und davon stimmt nicht einmal die Hälfte. Also:
    Ich heiße Martin Bergmann, bin achtunddreißig Jahre alt, verheiratet mit Christina Bergmann, geb. Watzlawik. Wir haben drei Kinder, genauer gesagt, zwei Töchter und einen Sohn.
    Die älteste Tochter heißt Stefanie und führt den Beinamen >die Appetitreiche<. Die Portionen, die sie verschlingt, sind beträchtlich, dennoch hat sie, wie wir alle, keine Gewichtsprobleme. Stefanie ist vierzehn und war nach Berichten meiner Frau schon mindestens dreimal unsterblich verliebt.
    Kathrin, unsere zweite Tochter, im Familienkreis >die Wortreiche< genannt, erspart uns zuweilen Illustrierte, Radio und Fernsehen, da sie immer viel zu berichten weiß, manches auch mit sehr spitzer Zunge. Sie war im Alter von neun Jahren heftig verlobt, ist aber jetzt ohne Anhang. Sie ist übrigens nur dreizehn Monate jünger als ihre Schwester, was zuweilen zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden führt. Vor allem dann, wenn Stefanie ihr Alter und ihr Erstgeburtsrecht ins Gespräch bringt.
    Markus ist um die zehn. Als er mir zum erstenmal gezeigt wurde, mußte ich zweimal Hinsehen, um ihn überhaupt wahrzunehmen. Seit damals hat er den Beinamen >der Spärlichem Er ist sozusagen der Ausgleich zu Stefanie, was sie zuviel ißt, ißt er zuwenig, besser gesagt, was er übrigläßt, verschlingt Stefanie auch noch wie ein hungriger Wolf. Neuerdings nennt ihn meine Frau immer häufiger Markus Umwerf. Weil das Umwerfen von Limonade- und Weingläsern zu seinen hervorstechendsten Begabungen zählt. Markus ist der friedfertigste Junge, den man sich denken kann, was seine beiden Schwestern weidlich ausnützen, leider tun das auch die Mitschüler seiner Klasse, deren immerwährendes Angriffsziel er ist.
    Sollte ich noch etwas sagen? Ach ja, von Beruf bin ich Steuerberater. Es geht uns nicht schlecht. Wir haben ein mittelgroßes Haus, das uns manchmal zu eng wird. Und in meinem Büro habe ich drei Angestellte, zwei Damen und einen jungen Mann. — Mehr kann Ihnen sicher meine Frau sagen.

3

    Es war noch früh am Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen hingen golden in den langen Nadeln der Pinien. Die meisten Urlauber schliefen noch. Ein einziger Hotelgast vom Residence war bereits auf dem Weg zum Strand, drei waren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher