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Spatz mit Familienanschluß

Spatz mit Familienanschluß

Titel: Spatz mit Familienanschluß
Autoren: Othmar Franz Lang
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heruntergelassenen Jalousien an allen Fenstern, die ihn wie tote Augen anstarrten. Lucas Altamura war hochgeflattert und kam jetzt wieder herunter.
    »Alles okay«, sagte er. »Meine Frau hat sich mächtig gefreut. Die Parkplatzspatzen sind in letzter Zeit immer frecher zu ihr geworden.«
    »Was sagt er?« fragte Vater.
    »Seine Frau freut sich riesig, und es war höchste Zeit, daß er heimkam.«
    »Ich frage mich nur, wovon er hier leben soll«, murmelte Vater. »Er findet doch ringsum nicht das Geringste zum Fressen.«
    »Spatzen sind findig, sie schlagen sich durch, irgendwie geht es immer, und außerdem...« Markus ging zum Wagen. »... außerdem hab ich ein großes Paket Körnerfutter mitgebracht, das müßte für diesen Winter reichen.«
    »Dann bin ich ja beruhigt.« Vater sah auf seine Uhr. »Wir müssen leider«, sagte er. »Erkläre das bitte Lucas.«
    »Geht schon voraus«, schlug Markus vor. »Ich komme gleich nach. — Lucas«, wandte er sich dann an Altamura, »ich muß mich sehr bei dir bedanken.«
    »Quatsch«, sagte Lucas. »Ich muß mich bedanken.«
    »Nein, du hast mir viel geholfen.«
    »Und du hast mich heimgebracht, lange vor der Zeit. Wir sind quitt.«
    »Also dann...«
    »Deine Leute sind schon im Auto, sie warten.«
    »Wir sehen uns wieder, nicht wahr?«
    »Ganz bestimmt, wenn wir es erleben. Ich fliege jetzt hinauf, damit du gehst. Denk manchmal an mich.« Und damit erhob sich Lucas Altamura und flog hinauf zu seinem Nest unter dem Dach. Oben, das konnte man merken, mußte er mit dem starken Wind kämpfen, aber ein Altamura setzt sich durch. In einem Spalt zwischen Dachrinne und Hausmauer verschwand er. Aber schon vorher konnte man ihn schlecht erkennen, denn der Abend kam um diese Zeit früh. Die Wolken hingen zudem tief und waren beinahe so grau wie Lucas. Man konnte meinen, sie berührten das Dach. Markus ging zum Wagen, der Motor lief schon.

16

    Als die Familie Bergmann im nächsten Sommer zum ersten Abendessen auf der Terrasse des Residence saß, warteten sie vergeblich auf den Altamura, obwohl der leere Stuhl wie im Vorjahr am Tisch stand. Lucas kam nicht herangeflogen, um sich auf die Stuhllehne zu setzen und sie zu begrüßen.
    Markus war bedrückt, und seltsamerweise seine zwei Schwestern ebenfalls.
    »Meint ihr, daß er...« Markus sprach den fürchterlichen Verdacht nicht aus.
    »Es war ein strenger Winter«, sagte Mutter. »Giorgio sagt, daß ihnen viele Blütensträucher erfroren sind.«
    »Und dann...« begann Vater, »ich weiß nicht, wie alt Spatzen werden. Im allgemeinen.,. Und dann haben sie viele Feinde, Katzen zum Beispiel.«
    Markus haßte in diesem Augenblick sämtliche Katzen in der Umgebung.
    Da klirrte und schepperte es an einem Tisch in der hintersten Ecke der Terrasse.
    Am Nachbartisch sagte ein Mann so laut, daß sie es verstehen konnten: »Das war sicher wieder dieses Mädchen, das zehn linke Finger und Zehen hat.« Etwas langsamer sickerte die Nachricht durch, daß die Unglückliche diesmal einen ganzen Servierwagen umgestoßen hatte.
    »Markus!« rief da jemand. Es war einer von den Zwillingen. Als er genauer hinsah, merkte er, daß es Anne war.
    »Mensch«, sagte sie, »du bist aber gewachsen.«
    »Du aber auch«, sagte Markus und wagte nicht, sie genauer anzusehen. Anne war ein richtiges Mädchen geworden.
    »Schwimmen wir morgen miteinander?« fragte Anne. »Wenn du willst.« Er mußte sich räuspern.
    »Wer hat denn da den Speisewagen umgeschmissen?« fragte Kathrin.
    »Ach, alle nennen sie nur Miß Tolpatsch. Sie ist kurzsichtig und will keine Brille tragen, auch keine Haftschalen. Vorgestern steckte sie über zwei Stunden im Lift, weil sie die Stoptaste gedrückt hatte, und in den neuen Swimmingpool ist sie samt drei Cappuccini auf einem Tablett hineingefallen.«
    »Ich erinnere mich da an einiges«, stellte Vater spöttisch fest. »Hoffentlich eiferst du heuer dieser Dame nicht nach«, sagte er dann zu Markus. »Daß du sie am Ende noch übertriffst, daran will ich gar nicht denken.«
    »Einmal«, fuhr Anne fort, »hat sie die Wagentür hinter sich zugeschmissen, obwohl ihre Mutter gerade die Hand am Dach draußen hatte, um auszusteigen. Wenn du eine Frau mit verbundenen Händen siehst, dann ist es ihre Mutter.«
    »Verbundene Hände?« fragte Vater. »Hatte sie beide Hände auf dem Autodach?«
    »Nein, die andere Hand wurde verletzt, als Miß Tolpatsch die Balkontür zugeworfen hat.« Anne lachte. »Und ihren Vater erkennt man daran, daß er eine
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