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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi
Autoren: Bastei Lübbe
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sagt, dass er und seine Frau ziemlich mitgenommen wirkten, als sie das Haus verließen. Er hatte Taxis für sich und die anderen Gäste bestellen lassen.«
    »Ja. Und jetzt ist also einer noch da drinnen?«
    »Ja. Dass noch ein Gästeausweis fehlte, haben wir leider erst bemerkt, als der Botschafter schon fort war.«
    »Und der Mann ist in der Botschaft?«
    »Ja. Wir haben uns vergewissert, dass er sich nicht irgendwo im gemeinsamen Bereich für alle Botschaften befindet. Er muss noch im isländischen Haus sein.«
    »Ich verstehe.«
    »Herr Ingason, wir dürfen die Botschaft nur in Notfällen betreten. Wenn der Mann nur eingeschlafen ist …«
    »In Ordnung, ich verstehe. Ich komme und werde mich nach ihm umsehen.«
    Arngrímur warf einen Blick auf die Uhr auf seinem Nachttisch. »Ich bin in zwanzig Minuten da«, fügte er hinzu und beendete das Gespräch.
    Der Botschaftsrat behielt den Apparat noch eine Weile in der Hand, während er die nächsten Schritte überdachte. Dann wählte er eine Nummer über Kurzwahl und bestellte ein Taxi.
    »Kommt sofort«, hieß es aus der Taxizentrale.
    »Ich habe zehn Minuten«, sagte der Botschaftsrat zu sich selbst und stand vorsichtig auf. Das Fußende des Bettrahmens war hoch, und Arngrímur konnte sich beim ersten Schritt darauf stützen. Er spürte sein Alter, er war im Juni fünfundsechzig geworden. Die Gelenke waren nach der Bettruhe noch nicht auf Bewegung eingestellt, und es war kalt im Zimmer, denn das Fenster stand offen. In der Nacht war es empfindlich kühl geworden, der Herbst kündigte sich an.
    Arngrímur ging mit steifen Schritten ins Badezimmer, wo er das Licht einschaltete. Während sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnten, putzte er sich die Zähne. Anschließend kämmte er das grauweiße Haar sorgfältig nach hinten, hielt es aber nicht für erforderlich, sich für diesen Anlass zu rasieren. Dazu würde noch Zeit genug sein, bis die Botschaft öffnete. Falls er es in der Zwischenzeit nicht nach Hause schaffte, konnte er in der Botschaft duschen, bevor die anderen Mitarbeiter erschienen. In einem Schrank in seinem Büro befanden sich sowohl eine Kulturtasche als auch frische Unterwäsche.
    Acht Minuten später hatte er eine sorgfältig gebügelte Hose und ein frisches Hemd angezogen und band sich die Krawatte um. Als er ein paar Minuten später das Haus verließ, hielt er sich kerzengerade, und seine Bewegungen waren distinguiert wie immer. Ein neuer Arbeitstag in der isländischen Botschaft in Berlin hatte begonnen.
    03:20
    Das Taxi stand mit laufendem Motor und Abblendlicht vor dem Haus, und der Diesel schnurrte freundlich. Der Fahrer war ausgestiegen und hatte sich eine Zigarette angezündet. Er grüßte und hielt Arngrímur die Tür auf. Dann drückte er die halb gerauchte Zigarette aus und steckte den Stummel in die Westentasche seiner Jacke, bevor er sich ans Steuer setzte.
    »Die Nordischen Botschaften, Rauchstraße eins«, sagte Arngrímur.
    »Nordische Botschaften«, wiederholte der Fahrer leise und fuhr los.
    Zu dieser nächtlichen Stunde war praktisch kein Verkehr auf den Straßen, und die Fahrt dauerte nicht lange. In weniger als fünf Minuten fuhren sie die Klingelhöferstraße in nördlicher Richtung entlang, linker Hand tauchte die Ostseite der Gebäude der Nordischen Botschaften auf, die von starken Scheinwerfern angestrahlt wurde. Das grüne Kupferband an den fünfzehn Meter hohen Außenwänden war das charakteristische Kennzeichen des Gebäudekomplexes, der die fünf Nordischen Botschaften beheimatete, und ein unverwechselbares Element in der Stadtlandschaft. Die meisten Platten waren senkrecht angeordnet, doch an einigen Stellen standen sie in Winkeln von fünfundvierzig oder neunzig Grad ab und ließen das Licht aus dem Inneren der Häuser durch.
    Der Fahrer bog links in die Stülerstraße ein und gleich danach wieder links in die Rauchstraße, wo er anhielt. Sie hatten das Kupferband beinahe komplett umrundet und befanden sich nun an der Südseite, die sich völlig anders präsentierte. Eine Glaswand unter einem beleuchteten Vordach eröffnete den Blick in den Innenhof zwischen den Gebäuden der einzelnen Botschaften, die Plaza. Der Haupteingang zum Gebäudekomplex befand sich in einem Haus, das mit waagerechten hellen Holzplanken verkleidet war.
    Arngrímur bezahlte den Taxifahrer, ließ sich eine Quittung geben und stieg aus. Er sah, dass der Sicherheitsbeauftragte ihn beobachtete, als er zum erleuchteten Eingang ging. Die Tür
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