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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi
Autoren: Bastei Lübbe
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wieder zurück. Nach siebzehn Kilometern auf der 50 kommt die Abzweigung zur 52, auf der bin ich zwölf Kilometer gefahren, und jetzt stehe ich hier an der Auffahrt zu einem Hof, der Setberg heißt. Hier ist alles total zugeschneit, und ich hab mich festgefahren. Du musst Verstärkung schicken.«
    »Mach ich«, sagte Birkir. »Kannst du den Hof sehen?«
    »Ja, das Haus steht da am Hang, ungefähr einen halben Kilometer von hier.«
    »Du musst sofort hin. Möglicherweise befindet sich da drin eine Zeitzündervorrichtung, um das Haus in Brand zu setzen. Wir wissen nicht, wann, gehen aber davon aus, dass es jeden Augenblick passieren kann.«
    »Die soll ich also unwirksam machen?«
    »Ja, aber sei vorsichtig. Ich sorge dafür, dass die Polizei in Borgarnes sich sofort auf den Weg macht.«
    »Ich werde versuchen, zum Haus zu kommen«, sagte Gunnar.
    »Ruf mich an, bevor du hineingehst«, entgegnete Birkir.
    14:10
    Gunnar brauchte einige Zeit, um die Wagentür aufzustemmen. Die Schneewehe, in der diese Autofahrt geendet hatte, reichte fast bis zur Mitte der Tür, und der Schnee war fest und pappig. Gunnar drückte ohne Rücksicht auf Hals oder Rücken mit der gesamten Kraft dagegen, die er von seinem Sitz aus aufbieten konnte. Als die Öffnung groß genug war, um sich hinauszuzwängen, langte er nach seinen Krücken auf der Rückbank.
    Das Haus am Hang machte einen verlassenen Eindruck. Obwohl der Himmel verhangen war und es schon zu dämmern begann, brannte nirgendwo Licht. Landwirtschaft wurde anscheinend dort schon seit längerer Zeit nicht mehr betrieben, doch das Wohnhaus war renoviert und wurde wahrscheinlich als Ferienhaus genutzt. Die Stallungen waren klein und baufällig, damit würde sich kein moderner Landwirt zufriedengeben. Die Zäune um die Heuwiesen waren umgefallen, und nirgends gab es Hinweise darauf, dass Tiere gehalten wurden. Auf dem Hofplatz stand ein alter verrosteter Trecker, aber ein Auto war nicht zu sehen.
    Gunnar schob sich Schritt für Schritt die Auffahrt entlang. Dort hatte sich erst vor Kurzem ein ziemlich großer Wagen durch den Schnee gepflügt, sodass Gunnar in den Reifenspuren gehen konnte, doch die Krücken sanken tief in den Schnee ein. Die Kälte im Gesicht war beißend, und sein geschwollenes Auge schmerzte. Der Stützkragen schützte ihn ein wenig, aber ansonsten trug er nur Hemd und Anzug.
    Er sah immer wieder hoch und blickte forschend zum Haus, konnte aber kein Anzeichen von Leben entdecken, und ebenso wenig Rauch oder Flammen als Anzeichen dafür, dass Feuer ausgebrochen war. Das Haus schien völlig verlassen zu sein. Es hatte eine Etage und ein Dachgeschoss und war unterkellert.
    Als er das Haus endlich erreicht hatte, rief er wie versprochen Birkir an. »Ich bin da«, sagte er.
    »Gut«, sagte Birkir. »Die Polizei aus Borgarnes ist bereits unterwegs, und die Feuerwehr macht sich gerade auf den Weg. Kommst du ins Haus?«
    »Moment«, sagte Gunnar, »ich probier’s mal.«
    Er schleppte sich ein paar Stufen hoch und drückte die Klinke herunter. Die Tür war unverschlossen.
    »Ich bin drin«, sagte er.
    »Was du tust, ist deine Entscheidung, aber bleib auf jeden Fall am Telefon.«
    Gunnar befand sich in einer engen Diele, hinter der ein Flur lag. Erst überlegte er, sich von Zimmer zu Zimmer zu schleichen und die Lage auszukundschaften, aber dann wurde ihm klar, dass sogar ein beschlagenes Pferd sich leiser im Haus fortbewegen könnte als er mit seinen Krücken.
    Daher beschloss er, es darauf ankommen zu lassen. »Hallo«, rief er so laut, wie es seine heisere Stimme zuließ. »Ist hier jemand?«
    Er horchte und hörte sofort eine schwache Antwort: »Hilfe, Hilfe. Wir sind im Keller.«
    »Ich komme«, rief Gunnar. Er sah eine Treppe, die zum Dachgeschoss führte, aber wie man in den Keller gelangte, war ihm nicht klar. Gunnar humpelte den Korridor entlang.
    »Wie kommt man zu euch runter?«, rief er.
    »Hilfe, Hilfe«, war die einzige Antwort.
    Gunnar öffnete eine Tür, sie führte ins Wohnzimmer. Von da würde man wohl kaum in den Keller kommen. Er machte kehrt und schleppte sich schwerfällig in die Küche am anderen Ende des Hauses.
    »Hilfe, Hilfe«, hörte er jetzt wieder, und hier waren die Stimmen deutlicher.
    »Wie komm ich nach unten?«, wiederholte er.
    »In der Küche ist eine Falltür.«
    Gunnar blickte sich forschend um und entdeckte die Bodenluke in der Ecke. Er stellte die Krücken ab und kniete sich unter großen Anstrengungen nieder. Die Falltür ließ sich
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