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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie
Autoren: Zeruya Shalev
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unserer Kinder, die niemals mehr geboren werden.
    Seine glatten feuchten Schultern, sein brennender Atem, sein Gesicht, das die dunkelviolette Farbe einer Aubergineangenommen hat, wie Gili im Moment seiner Geburt, da liege ich auf dem Rücken, erleide die Schmerzen der Geburt, während ein großes, kahlköpfiges und starkes Kind versucht, meinen Körper aufzureißen, ein ungewolltes Kind, das mir seine Anwesenheit aufzwingt, vielleicht gibt es ja ein Wort, einen Blick, eine Bewegung, um ihn von mir zu entfernen, um diesen groben schwerfälligen Körper dazu zu bringen, dass er das mit Plüschtieren bedeckte Kinderbett verlässt, aber so ein Wort scheint noch nicht gefunden zu sein, und vielleicht ist es auch gut so, denn die Erinnerung an diesen Morgen ist der nahrhafteste Vorrat, den ich in mein neues Leben mitnehmen kann, und je mehr er mich abstößt, je mehr er mich enttäuscht, desto geschützter bin ich vor Reue und Sehnsucht, jetzt betrachte ich ihn nicht mehr wie einen Fremden, seinen Gesichtsausdruck, der wechselt wie der Himmel, das ist kein Schock der Fremdheit, sondern der Nähe, und dieser Morgen ist nicht anders als die anderen Morgen unseres Lebens, und obwohl er sich mir nie aufgezwungen hat, ist mir klar, dass es auch im letzten Herbst hätte passieren können, ich hätte auch damals bewegungslos unter ihm liegen und mit Ehrfurcht und Erregung an jene Tage denken können, an denen ich keinen Ehemann hatte.
    Die Augen der Löwin ruhen auf mir, als ich die Lippen aufeinander presse, ich werde ihm noch nicht einmal meine Stimme geben, mir ist, als fühlte ich Steine gegen meinen Rücken drücken, wie damals, in unseren ersten Nächten, noch nicht einmal eine Decke war unter uns ausgebreitet, dort, auf dem Ausgrabungsfeld, tagsüber schürften wir unter der lockeren Erde und nachts unter unserer Haut, seine hellen Augen leuchteten über mir, warfen das ganze Licht auf mich zurück, das sie an dem langen heißen Tag gesammelt hatten, er verströmte den Geruch uralten Staubs, undseine Hände, die am Tag sorgfältig die Scherben klassifiziert hatten, wanderten über meinen Körper, als versuchten sie, seine Schriftzeichen zu entziffern, einen Buchstaben nach dem anderen, und ich dachte an die sidonische Königin, die hier vor mir gelebt hatte, als würde uns beide höchstens eine Generation trennen, wie sie mit geschminkten Augen und frisierten Haaren durch das Fenster schaute, dem nahenden Feind entgegen, und wie ihre Eunuchen sie im Stich ließen, wie ihr Blut an die Wände des Palastes spritzte. Ihr Unglück ist unser Glück, sagte er, diese Siedlung wurde kurz nach ihrer Gründung zerstört und nicht wieder aufgebaut, und gerade weil sie nur so kurze Zeit existierte, hat sie eine so ungeheure Bedeutung, und ich hielt seine Hand, an den langen Tagen waren wir Fremde, in den kurzen Nächten Königskinder, die zwischen den Ruinen des Palastes herumliefen und die kurze goldene Zeit ihres Königreichs wieder auferstehen ließen, und ich dachte nicht, dass ich ihn wiedersehen würde, ich dachte, nach Beendigung der Ausgrabung würde er aus meinem Leben verschwinden, so heimlich, wie er darin aufgetaucht war, er würde den Glanz der nicht enträtselten Vergangenheit mit sich nehmen, aber er deutete auf mich, einen Moment bevor ich in den Bus stieg, und sagte mit abgrundtiefem Ernst, wie ein Heerführer, der seine Soldaten wählt, du kommst mit mir.
    Vielleicht steht das alte Bild, das mich jetzt bewegt, auch vor seinem inneren Auge, aber ihn erfüllt es mit Zorn, wer bist du überhaupt, dass du es wagst, mich zu verlassen, ohne mich wärst du nichts, eine armselige Freiwillige bei der Ausgrabung, ich habe dir zu deiner Karriere verholfen, und so dankst du es mir, merk dir, damit ist es jetzt vorbei, so wie ich dich aufgebaut habe, werde ich dich auch zerstören, und plötzlich, wie ein letzter, vernichtender Fluch, rollt er sich von mir herunter und spritzt die weißliche Flüssigkeitauf meinen Unterleib, und sofort verbirgt er sein Gesicht im Fell der Löwin, die neben mir liegt, als habe man ihm mit einer Keule auf den Kopf geschlagen, atmet schwer und wimmert, Ella, verzeih mir, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, ich bin vollkommen zerstört vor Kummer, komm, versuchen wir es noch einmal, ich weiß, dass du es nicht leicht hast mit mir, aber ich liebe dich, glaube nicht,
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