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Sonntags bei Tiffany

Sonntags bei Tiffany

Titel: Sonntags bei Tiffany
Autoren: Patterson James
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blickte in ihr freundliches Gesicht. »Wir alle sind
Freunde.« Sie deutete zu den anderen im Wartezimmer, die zu mir herüberblickten und herzlich nickten. »Wir sind diese Art Freunde. Imaginär!«
    Â»Oh.« Ich war einen Moment sprachlos, blickte die anderen der Reihe nach an und dann wieder zu der Frau. »Ich bin Jane.«
    Â»Ja, ich weiß. Wir alle mögen Michael sehr. Wie geht’s ihm? Weißt du, was los ist?«
    Â»Vier Arterien sind verstopft«, antwortete ich.
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Das ist … sehr seltsam. Ich bin übrigens Blythe.«
    Â»Wenn man bedenkt, was er gegessen hat, ist das nicht seltsam«, erwiderte ich bitter.
    Â»Aber, Jane, wir werden nicht krank«, erklärte sie. »Niemand von uns. Nie. Deswegen ist das seltsam. Hier geschieht etwas völlig Unerwartetes, etwas Ungewöhnliches.«
    Ich dachte über unsere unglückselige Liebesgeschichte nach und schüttelte den Kopf. »Du hast ja keine Ahnung.«
    Blythe ergriff meine Hände. Sie war so lieb und schon jetzt eine perfekte Freundin für mich. »Doch, habe ich. Michael hat uns von dir erzählt. Er hat nie aufgehört, von dir zu erzählen. Wir sind alle damit einverstanden, auch wenn er unsere Zustimmung nicht braucht. Wir haben Michael noch nie so glücklich gesehen. Wir mögen dich, Jane.«
    So saßen Blythe, meine neue imaginäre Freundin, und ich nebeneinander und warteten verängstigt auf Nachrichten. Endlich betrat Dr. Rodman das Wartezimmer
und kam auf mich zu. Sein Gesicht war undurchdringlich, doch er lächelte nicht. Mein Herz zog sich zusammen, und meine Kehle wurde trocken.
    Verzweifelt drehte ich mich zu Blythe, die jedoch mit dem Kopf schüttelte. »Der Arzt kann uns nicht sehen.«
    Ach ja, klar. Natürlich nicht. Ich bin der einzige verrückte Mensch hier, der imaginäre Freunde hat. Als Zweiunddreißigjährige.
    Â»Jane«, sagte Dr. Rodman. »Die Sache ist etwas seltsam. Kommen Sie bitte mit.«

EINUNDACHTZIG
    M ichael blickte Jane entgegen, als sie mit seinem Arzt den Aufwachraum betrat. Das war wieder eine Neuheit – sein Arzt. Michael war nie in seinem Leben krank gewesen, war nie von einem Arzt untersucht worden und hatte mit Sicherheit nie sein Herz behandeln lassen. Ach, und noch eins: Noch nie zuvor hatte er solche Angst gehabt.
    Nicht deswegen, dass er sterben könnte. Damit hatte er mehr oder weniger kein Problem. In dieser Angelegenheit war er eher verhalten optimistisch.
    Doch er hatte Jane wiedergefunden und wollte sie aus keinem Grund der Welt mehr verlieren. Niemals.
    Â»Hi«, grüßte sie mit einem schwachen Lächeln. Er bewunderte den Klang ihrer Stimme.
    Â»Hi. Ich muss aussehen, als wäre ich von einem Laster angefahren worden. So fühle ich mich jedenfalls.«
    Â»Du siehst phantastisch aus. Für jemanden, der von einem Laster angefahren wurde.«
    Der Arzt klopfte Jane auf die Schulter und verließ das Zimmer. Jane trat an Michaels Bett, beugte sich hinab und küsste ihn auf die Stirn – und plötzlich erinnerte er sich, dass er genau dasselbe getan hatte, als sie acht Jahre alt gewesen war.

    Â»Wir sind auf derselben Wellenlänge, Michael. Natürlich erinnere ich mich«, sagte Jane lächelnd. »Ich habe dir gesagt, ich würde dich nie vergessen.«
    Sie verschränkten ihre Hände ineinander.
    Â»Dein Arzt war leicht schockiert, weil du so schnell aus der Narkose aufgewacht bist. Eigentlich viel zu schnell.«
    Michael zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, warum. Aber was ist mit mir passiert?«
    Als Jane erneut lächelte, ging es Michael schon viel besser. »Was mit dir passiert ist? Viel zu fettes Essen, viel zu viel Junkfood. Nur Gott weiß, seit wann schon. Und das meine ich so, wie ich es sage. Aber es gibt auch gute Nachrichten.«
    Â»Ich höre.«
    Â»Du hast ein Herz, Michael. Du hättest sterben können. Du bist ein Mensch, Michael. Ein Mensch.« Ihr Gesicht strahlte vor Freude.
    Â»Habe ich das richtig verstanden?«, fragte Michael. »Der Knüller am Menschsein ist, dass man stirbt?«
    Â»Leben und sterben«, bestätigte Jane. »Ja, darum geht’s so ungefähr. Das ist der Knüller am Leben.«
    Dann begannen Michael und Jane zu weinen und klammerten sich aneinander.
    Â»Das, was heute passiert ist, ist wirklich ein Wunder«, brachte Michael schließlich heraus.

ZW
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