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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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nicht einmal sicher
war, ob die Sonne sich bereits dem Maximum ihres Zyklus
genähert hatte. Und da wollte sie sich als Königliche
Astronomin profilieren.
    Wie dem auch sei – obwohl die Aurora unbestreitbar ein
spektakulärer Anblick war und es auch ungewöhnlich war,
dass sie so weit südlich wie London noch eine solche
Leuchtkraft entfaltete, wusste Siobhan, dass es nur ein Effekt
zweiter Ordnung der Wechselwirkung des Sonnenplasmas mit dem
Erdmagnetfeld war und daher nicht von besonderem Interesse. Sie
hatte ihren Lauf fortgesetzt und keine Lust gehabt, sich den
Leuten anzuschließen, die mit ihren Hunden Gassi gingen und
dabei mit offenem Mund zum Himmel hinaufstarrten. Und sie
hätte auch gut auf die Panik verzichten können, als die
Leute die Notdienste mit grundlosen Anrufen bombardierten, dass
man den Eindruck bekommen konnte, als ob ganz London in Flammen
stünde.
    Sie standen noch alle am Fenster. Es war wirklich etwas
sonderbar, sagte sie sich.
     
    Sie stellte die Kaffeetasse ab und ging mit dem Telefon in der
Hand zum Fenster. Sie sah aber nicht allzu viel über die
Schultern der dicht gedrängten Kosmologen: einen Ausschnitt
des grünen Parks und eines ausgewaschenen blauen Himmels.
Das Fenster war geschlossen, weil die Klimaanlage eingeschaltet
war, aber sie glaubte dennoch laute Verkehrsgeräusche zu
hören: blökende Hupen und Sirenen.
    Toby Pitt machte sie am Rand der Menge aus. Toby war ein
jovialer Bär von einem Mann mit einem erstickt klingenden Home Counties-Akzent; er arbeitete für die Royal
Society und war der Manager der heutigen Konferenz.
»Siobhan! Ich werde auch keine Witze darüber
reißen, dass die Königliche Astronomin die Letzte ist,
die sich für den Himmel interessiert.«
    Sie zeigte ihm das Telefon. »Das käme eh zu
spät. Meine Mutter ist Ihnen schon zuvorgekommen.«
    »Das ist aber schon ein Anblick. Kommen Sie und sehen
Sie selbst.« Er legte ihr seinen kräftigen Arm um die
Schultern und führte sie mit einer gelungenen Kombination
aus körperlicher Präsenz und charmantem Lächeln
durch die Menge zum Fenster.
    Von den City of London-Räumen aus hatte man eine
schöne Sicht auf die Mall und den dahinter liegenden St.
James Park. Das Gras des Parks glänzte in einem satten
Grün; es handelte sich nicht mehr um eine einheimische
Sorte, sondern um eine zähe und anspruchslose Züchtung
mit dicken Halmen, die aus Süd-Texas importiert worden war,
und die unermüdlichen Rasensprenger schickten einen
schimmernden Wassernebel in die Luft.
    Der Verkehr auf der Mall staute sich. Die intelligenten
Fahrzeuge hatten sich selbstständig zu einer optimalen
Staukolonne konfiguriert, doch die frustrierten Fahrer
veranstalteten in der feuchten, hitzeflimmernden Luft ein
Hupkonzert. Siobhan schaute die Straße entlang und sah,
dass die Verkehrsampeln und Leitsignale unkoordiniert blinkten:
Kein Wunder, dass der Verkehr zum Erliegen gekommen war.
    Sie schaute auf. Die hoch am Himmel stehende Sonne flutete den
wolkenlosen Himmel mit Licht. Und wenn sie die Augen beschirmte,
vermochte sie noch immer eine Spur von Aurorabändern am
Himmel auszumachen. Und dann nahm sie ein Geräusch wahr, das
vom Verkehrslärm in der Mall fast übertönt wurde
– ein leiseres Geräusch, das von dem dicken isolierten
Glasfenster gedämpft: wurde. Es war der Unmut frustrierter
Autofahrer, der sich in der ganzen Stadt zu entladen schien. Dann
war dieser Stau also nicht lokal begrenzt.
    Zum ersten Mal an diesem Tag spürte sie einen Anflug von
Unbehagen. Sie dachte an ihre Tochter Perdita, die heute im
College war. Die zwanzig Jahre alte Perdita war im Grunde
genommen eine vernünftige junge Erwachsene. Aber
dennoch…
    Es trat wieder Stille ein, als die Lichtverhältnisse sich
änderten. Die Leute regten sich verstört. Beim Blick
über die Schulter sah Siobhan, dass die Raumbeleuchtung
ausgefallen war. Und diese subtile Veränderung der
Geräuschkulisse musste bedeuten, dass auch die Klimaanlage
den Dienst eingestellt hatte.
    Toby Pitt sprach schnell in ein Telefon. Dann hob er die
Hände hoch und verkündete: »Es besteht kein
Anlass zur Besorgnis, meine Damen und Herren. Wir sind nicht die
einzigen Betroffenen: Dieser Teil von London scheint von einer
Art ›Brownout‹ betroffen zu sein, einer merklichen
Reduzierung der Stromversorgung. Aber wir haben einen
Notstromgenerator, der jeden Moment aktiviert werden
müsste.« Er blinzelte
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