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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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herunterhängendem Kiefer und verdrehten Augen. Einmal fing ich an zu heulen, weil es unmöglich schien, ihn wieder zum Leben zu erwecken, nicht einmal durch Kitzeln. Aber dann sprang er plötzlich auf und kreischte:
    Eneke beneke, doch noch am Leben!
    Mummi und ich waren zwar in gewisser Weise neugierig auf die Welt und betrachteten sie endlos durch das Rautenfenster oder sogar durch das Fenster im Grünen Salon, aber wir wollten nicht vor die Tür. Die Welt hatte uns nämlich beim ersten Mal nicht sonderlich gut empfangen, obwohl wir nur in den Garten hinausgegangen waren. Vielleicht waren wir immer nur darauf bedacht, nicht dem Mann mit dem Zeigefinger zu begegnen. Die Angst vor ihm schlummerte in mir, bis ich älter wurde und einen Beschützer in Form eines Liebsten erhielt.
    Und Mummi und ich sahen weiter aus dem Rautenfenster, wir warteten und warteten, auf Tageslicht, auf Finsternis, und nach der Finsternis auf das Licht. Vielleicht warteten wir darauf, dass Magda wiederkäme. Ich tat das zumindest, und am Waschküchentag wechselte ich immer die Bettwäsche in ihrem Bett. Wir sprachen aber nie über sie, und das tun wir auch heute noch nicht, so als hätte sie nie existiert.

    Magda ging am Grünen-Salon-Tag. Der Tag darauf war der Waschtag. Große Wäsche und keine Magda. Wer sollte waschen? Hatte Ragnhild eine Frau dafür gefunden? Wollte sie womöglich selber waschen? Oder würde Harald anfangen zu waschen, wenn er sähe, dass Ragnhild keine Anstalten dazu machte?
    Ich schlief schlecht. Ich träumte langatmiges und wirres Zeug, das sich zum Schluss zu schmutziger Wäsche formierte. Laken und Hemden flatterten durchs Zimmer, blieben an mir hängen, schnürten mich langsam, aber sicher von Kopf bis Fuß so ein, dass ich komplett umwickelt war wie eine Mumie aus einem Buch. Ich wachte von meinem eigenen Schrei auf. Nun würde bestimmt jemand kommen, und ich wartete hoffnungsvoll eine Weile. Aber diesen Jemand gab es nicht, und selbstverständlich kam niemand.
    Am Waschtag begann Magda immer gegen zehn mit der Wäsche. Als ich von meinem Schrei aufwachte, war es halb elf, und in Sachen Wäsche tat sich nichts. Um elf stand ich auf und öffnete die Zwischentür zur Waschküche. Irgendjemand hatte die Bettwäsche des Ehebetts abgezogen und sie zur schmutzigen Wäsche geworfen. Ich kroch wieder in mein Bett und wartete darauf, dass Wäsche gewaschen würde. Um die Mittagszeit hörte ich die Haustür ins Schloss fallen und dann das Klick-klack, Klick-klack von Haralds und Ragnhilds Schritten auf dem unendlichen Gartenpfad.
    Ein Haufen ungewaschener Wäsche samstags bis zum Nachmittag in der Waschküche. Nicht auszudenken, wo das enden würde. Harald und Ragnhild könnten genauso gut dazu übergehen, am Sonntag Wäsche zu waschen, statt die Lammkeule in die Röhre zu schieben. Das war etwas, wofür ich nicht verantwortlich sein wollte.
    Ich ging zu Mummi ins Zimmer, der aufrecht im Bett saß und in einem Malbuch mit deutschen Tieren malte. Seine Laune war ziemlich mies, und er fragte, ob es heute keinen Haferbrei gebe. Ich sagte, es sei keine Zeit, an Brei zu denken, wenn gewaschen werden müsste. Mummi fing an zu weinen und fragte: Gibt es dann nie wieder Brei? Er war so am Boden zerstört, dass ich ihm die Nase putzen und Brei kochen musste.
    Mummi half mir, unsere Betten abzuziehen und neue Bettwäsche aufzuziehen. Dann ging ich ins Magdazimmer. Da stand ihr Bett und starrte uns entgegen, nackt und ohne Bettwäsche. Ich bezog es neu und machte das Bett, so gut ich konnte, schüttelte Kissen und Oberbett zurecht, breitete eine Decke darüber und glättete alles. Es wäre netter für Magda, wenn ihr Bett bereitstünde, für den Fall, dass sie bald wiederkäme.
    Ich machte alles genau wie Magda. Sortierte die Wäsche und wusch drei Maschinen. Wenn die Maschine fertig war, musste man die bleischwere Wäsche zu einem Waschzuber schleppen, sie spülen und anschließend zum Schleudern wieder in die Maschine stopfen. Bei Magda hatte ich damit nie etwas zu tun gehabt. Hingegen war es mein Amt gewesen, ihr die Klammern zu reichen, wenn sie die Wäsche aufhängte.
    Ich war mit meiner Weisheit am Ende, als ich entdeckte, dass ich nicht bis zur Wäscheleine reichte. Mummi war aber nicht auf den Kopf gefallen, er wusste Rat und holte den Küchenhocker.Von dem Tag an wurde er in meinem Zimmer aufbewahrt, damit er an Waschtagen immer bereitstünde, und da befindet er sich noch heute.
    An diesem Tag entstand das Stück
Halli und
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