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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Autoren: Daniel Moor
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Gemein schaft . »
    «Und was halten Sie davon?»
    «Mujo ist ein sehr pflichtbewusster Mann, soweit ich das beurteilen kann. Es muss ihm etwas zugestossen sein.»
    «Kennen Sie ihn gut?»
    «Nein, nicht wirklich. Er ist sehr zurückhaltend. Wissen Sie, er war im Krieg und hat da wohl Schreckliches erlebt.»
    Erstaunt hakte ich nach: «In welchem Krieg?»
    Der Imam starrte mich an. «Im Bosnienkrieg natürlich.»
    « Ah ja? Und w issen sie darüber G enaueres? Was er erlebt hat und so?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein, wie gesagt, er ist sehr zurückhaltend. Er hat nie darüber gesprochen. Ich weiss nur durch Jasmina davon.»
    Ich wandte mich wieder der Eisprinzessin zu . «Wie alt ist Ihr Mann?»
    Kulenović übersetzte die Frage und teilte mir die Antwort mit. «Sieben und dreis sig. Geboren am 18. April 1971.»
    Das Frage-und-Antwort-Spiel setzte sich in diesem Stil fort. Ich notierte, was mir wichtig erschien und erfuhr, dass der Vermisste einsfünfundsiebzig gross und von mittlerer Statur war, kurze schwarze Haare und ein gleichfarbiges Kinnbärt chen trug und als Mechaniker bei einer Seefelder Autogarage arbeitete, von der sie nur den Namen, nicht aber die genaue Adresse kannte. Mujo und Jasmina hatten keine Kinder und wohnten in einer Mietwohnung im Westen Zürichs, ganz in der Nähe des Letzigrund-Fussballstadions. Er ging jeden Morgen um Punkt sechs Uhr aus dem Haus, fuhr mit dem Zweiertram zur Arbeit und kam oft zum Mittag essen nach Hause. Nein, sie wusste nicht mehr, welche Kleider er am Tag seines Verschwindens getragen hatte. Ja, Mujo arbeitete häufig bis spät in die Nacht. Er engagierte sich ab und zu bei Veranstaltungen der bosnischen Gemeinschaft und schrieb manchmal Gedichte, die aber niemand lesen durfte. Ansonsten hatte er weder Hobbys noch nahe Freunde und auch keine Verwandten in der Schweiz. Alles, was ich hörte, ergab das Bild eines zurückgezogenen Workaho lics und Einzelgängers.
    Ich wandte mich an Jasmina Hasanović. «Hat Ihr Mann irgend wel che beson de ren Merkmale, an denen man ihn erkennen kann? Täto wierungen, Piercings, Narben, was auch immer? Oh, und ein Foto von ihm wäre sehr hilfreich.»
    Kulenović übersetzte, wartete auf die Antwort und übersetzte diese dann wieder zurück für mich. «Also, er hat weder Tätowierungen noch Piercings, dafür aber Narben. Drei münzgrosse, runde auf seinem rechten äusseren Oberschenkel. Und eine schmale, etwa fünf Zenti me ter lange mit wulstigem Narbengewebe unter seinem linken Schlüssel bein.» Dann griff er in die Innentasche seines Jacketts, zog ein Passfoto heraus und reichte es mir. «Leider ist es sehr klein, aber es ist das einzig aktu elle Bild . Vor zwei Monaten für die Erneuerung seines Führer scheins gemacht.»
    Ich nahm das Bild entgegen und betrachtete es. Wie die meisten Passfotos war es nicht gerade ein Muster fotografischer Kunst, aber vom leicht zerknüllten Papier blickte mir zweifelsohne der soeben beschriebene Mann entgegen. Kurze schwarze Haare, schwarzer Kinn bart, eine offensichtlich gebrochene Nase und die gleichen traurigen Augen wie seine Ehefrau. Leider zeigte das Foto nur den Kopf und die Schultern.
    Ich fragte zurück: «Woher sind die Narben, die Sie vorhin erwähnt haben?»
    «Aus dem Krieg.»
    «Okay, aber ich meine, wovon?»
    Kulenović wechselte ein paar Worte mit Jasmina Hasanović und antwortete dann: «Aus dem Krieg. Das ist alles, was sie weiss.»
    Da hatte ich meine Zweifel. Aber ich war es gewohnt, dass mich Klienten anlogen, aus welchem Grund auch immer, und liess die Sache daher für den Moment auf sich beruhen. «Na gut. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle nochmals fragen, wieso Sie damit nicht zur Polizei gehen. Die Chance, dass diese Mujo findet, ist bedeutend höher, als wenn ich alleine suche. Ausserdem müsste sie sowieso von Amtes wegen aktiv werden und es würden Ihnen keine Kosten entstehen. Das ist bei mir nicht so.»
    «Jasmina möchte das nicht. Sie hat kein Vertrauen zur Polizei.»
    «Das sagten Sie schon. Darf ich fragen, weshalb nicht? Wie Sie ja wissen, war ich selber zehn Jahre bei der Polizei.»
    «Weil ich Ihnen vertraue.» Er schaute mir eindringlich in die Augen. «Jasmina ist aus Bosnien und lebt sehr zurückgezogen. Obwohl sie schon über zehn Jahre hier wohnt, kennt sie die Verhältnisse noch nicht so gut. Und in Bosnien ist die Polizei korrupt.»
    «Okay, aber sie selber kennen die Schweiz gut. Wieso reden sie nicht mit ihr und überzeugen sie?»
    Er warf mir
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