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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Autoren: Daniel Moor
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schätzen gelernt. Der damalige Fall hatte heikle Fragen über die Beziehungen der muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz zum Rest der Gesellschaft aufgeworfen , aber Kulenović hatte alle gefähr li chen Klippen mit Bravour umschifft, uns tatkräftig unterstützt und dabei seine Integrität immer gewahrt. Ich hatte grossen Respekt vor ihm.
    «Darf ich Ihnen Frau Hasanović vorstellen? Jasmina ist der Grund meines Besuchs.» Er machte einen ernsten Eindruck.
    Ich sah ihn erwartungsvoll an und lächelte aufmunternd.
    Er zögerte und warf Mina einen unsicheren Blick zu. «Ich würde Sie gerne privat sprechen.»
    Bevor ich antworten konnte, stand Mina auf und sagte: «Is ‘ okay, ich muss sowieso noch zur Bank.» Nach einer kurzen Pause fügte sie etwas trotzig hinzu: «Inner halben Stunde bin ich aber wieder da.» Sie schaute Kulenović und seine Begleitung vielsagend an, nahm ihre Handtasche vom Schreibtisch, sagte absichtlich affektiert « Tüdeldü! » und ging hinaus.
    Ich war nicht sehr erfreut darüber, dass Mina aus ihrem eigenen Büro gewor fen worden war, liess mir aber nichts anmerken und drehte mich wieder meinen beiden Besuchern zu. «Also, was kann ich für Sie tun?»
    Kulenović schaute seine Begleiterin etwas unbehaglich an. Diese machte immer noch einen gänzlich unbeteiligten Eindruck und vermied jeden Augen kontakt. Eine richtige Eisprinzessin .
    Schliesslich zuckte er mit den Achseln und meinte: «Jasminas Ehemann ist verschwunden.»
    Das schien die Dame aufzuwecken, und plötzlich sagte sie doch ein paar Worte, allerdings in einer Sprache, die ich nicht verstand.
    Der Imam übersetzte: «Sie macht sich grosse Sorgen.»
    Die Eisprinzessin starrte dabei auf einen Punkt irgendwo über meinem Kopf. Was mir sofort auffiel, waren ihre Augen. Sie waren alt. Und traurig. Ich hatte früher bei der Polizei ab und zu Menschen mit solchen Augen angetroffen.
    Kulenović unterbrach meine Überlegungen. «Werden Sie uns hel fen?»
    «Was genau soll ich denn für Sie machen?», entgegnete ich.
    «Wir möchten, dass Sie Jasminas Mann finden.»
    Das war nun doch etwas anderes als Versicherungsbetrüger ent larven. Ich starrte die beiden einen Moment lang an und fragte dann: «Waren Sie schon bei der Polizei? Die hat bedeutend grössere Ressourcen für so was.»
    Kulenović schüttelte den Kopf. «Jasmina hat kein Vertrauen zur Polizei.»
    Wieder überlegte ich kurz und schaute die beiden dabei nachdenk lich an. Dann zeigte ich mit der Hand auf den Sitzungstisch in der Mitte des kleinen Büros und sagte: «Okay, setzen Sie sich doch bitte. Möchten Sie was zu trinken? Vielleicht ein wenig Wasser?»
    Kulenović lehnte dankend für beide ab. Wir setzten uns.
    Die einzige andere Option neben Wasser war ein Schluck aus der Flasche Bushmills Irish Whiskey, die ich in meiner Schreibtisch schub lade aufbewahrte. Für rein medizinische Zwecke natürlich. Ich wusste jedoch, dass Kulenović ein entsprechendes Angebot nicht zu schätzen gewusst hätte . Statt Whiskey nahm ich daher einen Block Schreibpapier und einen Stift aus der Schreibtischschublade und wandte mich an die Frau. «Okay, also dann: Wenn ich Ihnen helfen soll, muss ich mehr wissen. Wie heisst Ihr Mann?»
    «Mujo», antwortete Kulenović für sie. «Das ist die bosnische Kurzform für Mustafa.»
    Etwas irritiert schaute ich weiterhin die Eisprinzessin an. «Und seit wann wird Mujo vermisst?»
    Erneut antwortete der Imam. «Vier Tage.»
    Heute war Mittwoch . D as bedeutete , er war über das Wochenende nicht nach Hause gekommen.
    «Freitag oder Samstag?»
    Nach einem kurzen Hin und Her antwortete Kulenović: «Sie sagt, er sei am Freitag nach der Arbeit nicht nach Hause gekommen. Er kommt aber anscheinend oft so spät, dass sie schon schläft. Sie hat es erst am Morgen bemerkt.» Nach kurzer Pause ergänzte er: «Beim Freitagsgebet war er auch nicht. Aber das ist nicht ungewöhnlich. »
    «Ist es das erste Mal, dass so was vorkommt?»
    Erneut sprach Kulenović kurz mit der Frau, bevor er antwortete: «Sie sagt ja. Seit sie verheiratet sind, hat es noch nie einen Tag gegeben, an dem er sich nicht zumindest bei ihr gemeldet hat, wenn sie nicht zusammen waren. Und er hat nicht gesagt, dass er irgendwo hingeht.»
    «Und wie lange sind sie schon verheiratet?»
    «Elf Jahre.»
    «Okay, dann ist das tatsächlich ungewöhnlich.» Ich schaute den Imam an und fragte: «Kennen Sie den Vermissten ebenfalls?»
    Er nickte. «Ja, beide Hasanovićs sind Mitglieder unserer
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