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Songkran

Songkran

Titel: Songkran
Autoren: Erik Matti
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Müllmänner in schmutzigen Overalls beugten sich über die Körbe und hievten den Unrat auf die Ladefläche des LKWs. Süßlicher Gestank breitete sich aus.
    „Welche Garantie kriege ich, dass das Mädchen da heil raus kommt?“, hakte Gun nach, während er zwischen dem Vorhang hindurch auf die kleine Gasse schaute. Der Motorradfahrer war nicht zu sehen.
     Thanee zögerte mit der Antwort: „Keine Gun.“
    „Sir, drei der vier Studenten sind ermordet worden. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, dass dem Mädchen nichts passiert?“
    „Gun, ich will ehrlich zu Ihnen sein. Die Sache liegt nicht mehr in meiner Macht. Diese Leute sind zu allem entschlossen.“
    „Wer sind diese Leute, Sir?“
    „Das tut nichts zur Sache, Gun. Überzeugen Sie das Mädchen, und beeilen Sie sich“, entgegnete Thanee hastig und klappte das Handy zu. Nervös strich er mit den Fingern über seinen Mund.
    „Sir! Hat aufgelegt. Was machen wir jetzt? Die wollen Ihnen ein Angebot machen.“ Gun grübelte und rieb sich das runde Kinn.
    „Mit wem haben Sie gesprochen?“
    Gun schüttelte den Kopf. Aus diffusem Loyalitätsempfinden verschwieg er Thanees Namen, als ob er den guten Ruf des Polizeichefs schützen müsste. Hätte ihn jemand darauf angesprochen, Gun hätte dieses Gefühl kaum begründen können.
    „Was für ein Angebot?“, hakte Toon nach, der Guns innere Zerissenheit nicht klar war.
    „Straffreiheit für Sie, wenn Sie denen verraten, wo das C4 ist.“
    „Aber Sie glauben denen nicht?“
    „Die haben uns eine Stunde gegeben. Uns bleibt wenig Zeit.“
    „Inspektor Gun?“
    „Nein, ich glaube denen nicht. Kein Wort glaube ich denen“, murmelte er.
    „Und was machen wir jetzt?“
    „Vielleicht sollten wir uns an die Presse wenden. Wir müssen Öffentlichkeit herstellen. So könnte es klappen.“ Gun nahm sein Lederportemonnaie aus der Gesäßtasche und holte eine Visitenkarte heraus. „Das ist die Karte eines Polizeireporters von der Matichon, ein anständiger Kerl. Wenn der daraus ne Story machen kann, dann…“, fuhr Gun fort und drückte Toon das Kärtchen in die Hand.
    Toon überflog Namen und Telefonnummer. Sie verstaute die Visitenkarte in der Außentasche ihres Rucksacks, in dem sie ihr Tagebuch, eine halbvolle Wasserflasche, Unterwäsche zum Wechseln und eine Zahnbürste aufbewahrte.
    „Es wird Zeit, dass wir hier verduften“, beendete Gun das Schweigen.
     „Der Hinterausgang?“
    „Da wartet bestimmt einer auf uns. Aber das Fenster im Klo. Wohin führt das? Wenn wir von da aufs Dach könnten?“
    Einen Funken Zuversicht ausstrahlend ging Gun an Toon vorbei und verschwand in dem kleinen Badezimmer.
     
    Der Lichtkegel der Minitaschenlampe flackerte und erlöschte. Mex hatte noch einen Blick auf die Zeiger seiner Armbanduhr werfen können. Dann stand er im dunklen Korridor, der sich hinter dem Hotel auftat. Knappe zwei Meter Raum trennte Toons Hotel von dem koreanischen Restaurant, das im Nachbargebäude untergegracht war. Die Ausdünstungen der Restaurantküche traten ungefiltert in die Häuserflucht und hüllten Mex in eine stinkende Wolke, die langsam nach oben abzog.
    Mex schaute zu Toons Hotelzimmer hinauf. Ein schwacher Lichtschein drang nach außen. Auf fünf Meter schätzte er den Abstand des Fensters zum Boden. In der Dunkelheit konnte er keine Haltegriffe oder Einbuchtungen in der Wand erkennen, die eine Flucht aus diesem Zimmerfenster möglich machten. Das Regenrohr an der Hausecke war über zwei Meter vom Fenster entfernt und für ein Entkommen ungeeignet.
    Mex begab sich zurück zum Schleichweg, der an Müllcontainern und -säcken vorbeiführte und setzte sich auf einen Stapel leerer Getränkekisten. Von dieser Stelle aus hatte er den Hinterausgang des Hauses und das Fenster im Blick.
    Dieser Scheisschinese motzte Mex. Seine Aufgabe sei es, den Rückraum zu sichern. „Knallen Sie Gun ab! Verstehen Sie Herr Inspektor, knallen Sie Gun ab!“, hatte der Hagere in seinem Yaba-Rausch befohlen, währenddessen seine Augäpfel wie Fischaugen aus dem Schädel getreten waren. Wenn das so einfach wäre. Mex hatte noch nie einen Menschen erschossen. Und jetzt sollte er seinen Chef umpusten, nur weil dieses bekiffte Arschloch es befahl. Mex‘ Angst vor dieser Wahrheit war stark; so stark, dass er am ganzen Leib zitterte.
    Eine Ratte huschte über den schmutzigen Boden. Der Geruch der Fäulnis lastete in der warmen Luft. Eine nahegelegene Reggaebar schickte ihre Klänge herüber. Die Musik von Bob Marley beruhigte
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