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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition)
Autoren: Stephanie Nailik
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kochendheißen Körper vorsichtig
auf dem Boden abzulegen.
    „Was tust du da?“ fragte er undeutlich
mit brüchiger Stimme und halb geschlossenen Augen. Eliza gab ihm keine Antwort.
Stattdessen bettete sie seinen Kopf behutsam in ihren Schoß und strich ihm die
zerzausten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann schob sie den linken Ärmel ihres Mohairpullovers bis zum Ellbogen hoch. Sie atmete noch
einmal tief durch, ehe sie entschlossen zu dem winzigen Schweizer Taschenmesser
für Damen griff, das sie wegen der Nagelfeile und der praktischen
Miniatur-Schere immer in ihrer Handtasche hatte. Zum Glück war die kleine
Allzweckwaffe auch mit einer lächerlich zierlichen Version des namengebenden
Messers ausgestattet.
    Der Schweiß stand ihr auf der Stirn, als
sie an ihrem schmalen Handgelenk nach der geeigneten Stelle suchte.
    Wollte man sich umbringen, empfahl es
sich, die Pulsadern in Längsrichtung aufzuschneiden, damit man den Blutfluss
nicht reflexartig durch Anwinkeln des Handgelenks stoppte. Aber zu sterben war
nicht ihr primäres Ziel, also entschloss sich Eliza, den Schnitt quer
anzusetzen. Es kostete sie nur einen kurzen Augenblick der Überwindung, dann
hatte sie sich eine tiefe, saubere Schnittwunde beigebracht. Fasziniert und
halb neben sich stehend sah sie zu, wie mit einer leichten Zeitverzögerung der
dunkelrote Lebenssaft aus ihrem Handgelenk zu quellen begann. Sie hob Valerius
Kopf an, dessen Nasenlöcher wieder wie wild zu beben begonnen hatten und
presste ihm ihren Arm an den leicht geöffneten Mund.
    Eliza erschrak und wollte ihren Arm im
ersten Moment zurückziehen, als sich seine glühend heiße Hand reflexartig und
blitzschnell, wie ein Schraubstock um ihren Arm schloss. Seine Adern waren auf
beängstigende Weise hervorgetreten und seine spitzen Fingernägel, die sich in
ihr Fleisch verkrallten, waren denen von René nur allzu ähnlich.
    Eliza stöhnte auf, als Valeriu begann,
ihr das Blut aus der Wunde zu saugen. Wie im Delirium sog er kraftvoll und
unnachgiebig das flüssige Lebenselixier aus ihrem Körper und in dem Maße, in
dem sie der rapide Blutverlust schwächte, erstarkte sein ausgetrockneter Körper
und erwachte zu neuem Leben.
    Es begann in Elizas Ohren zu rauschen,
als wäre sie am Meer. Sie verspürte ein leichtes Schwindelgefühl, doch
gleichzeitig war da eine Leichtigkeit, die ihren ganzen Körper in einen
unwirklichen Schwebezustand versetzte. Sie fühlte sich federleicht und
körperlos, als könnte sie jeden Moment abheben und die Schwerkraft überwinden.
Ein Gefühl friedvoller Glückseligkeit stellte sich ein. Bunte Farben in fantasievollen,
psychedelischen Mustern von bestickender Schönheit begannen vor ihren Augen in
immer wieder neuen Formationen zu tanzen wie in einem herrlichen Kaleidoskop,
in dem sich Prismen schillernder Edelsteine brachen und ständig explodierten
neue Farb- und Lichtkompositionen wie ein poetisches Feuerwerk in ihrem Kopf.
Farbige Schlieren, wie sie Ölfarbe im Wasser erzeugt, pastellen und neonfarbig,
berstende Lichtbälle, deren funkelnder Sternenstaub sich in der Endlosigkeit
verlor. Es war ein tunnelartiger Strudel aus pulsierendem farbigem Licht in
allen Regenbogenfarben durch den sie schwerelos einem unbekannten Ziel entgegen
schwebte.
    Eliza spürte, wie der Kontakt abriss;
der Kontakt zur Quelle dieses süßen Rausches, den sie um keinen Preis aufgeben
wollte.
    „Eliza, hörst du mich? Was habe ich nur
getan?“
    Wie von Ferne hörte sie eine
wunderschöne, vertraute Stimme, doch sie weigerte sich, diesen
verheißungsvollen Ort zu verlassen.
    Sie spürte, wie ihr Körper aufgehoben und
auf weichem Grund abgelegt wurde. Sie hatte wieder einen Körper und sie spürte
weiche, kühle Lippen auf den ihren.
    „Dein Herz schlägt, du atmest. Warum
öffnest du nicht die Augen? Bitte verzeih mir, was ich getan habe, Liebste!“
    Jetzt erkannte sie Valerius verzweifelte
Stimme und es waren seine eleganten, kalten Hände, die ihren Puls nahmen und
ihr Gesicht streichelten.
    Eliza schlug die Augen auf und blickte
in die sorgenvolle Tiefe seines schillernden, zweifarbigen Augenpaares.
    Was sich in diesem Moment in Valerius
Gesichtszügen abspielte, ließ sich kaum in Worte fassen. Liebe, Glück und
Dankbarkeit ließen sein schönes Gesicht in ungeahntem, überirdischem Glanz
erstrahlen.
    „Du lebst! Gott sei Dank, du bist am
Leben! Ich hatte befürchtet, ich hätte zu viel genommen. Es ist mir so
unendlich schwer gefallen, aufzuhören.“ Die Worte
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