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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter
Autoren: P. G. Wodehouse
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jetzt zu der kleinen Gruppe am Teetisch. Wie sein Foto schon zeigte, war er ein kleiner adretter und beweglicher Mann von jenem Typ, den man unwillkürlich mit karierten Anzügen, weißen Bowler-Hüten, roten Nelken, Ferngläsern und Rennprogrammen in Verbindung bringt. Obwohl zur Zeit barhäuptig und in Hemdsärmeln, sowie mit dem obligaten Tintenfleck des Literaten auf der Nase, schien er hier dennoch fehl am Platze – so fern ab von Stallgeruch oder Barhocker. Seine hellen Augen mit den Lachfältchen schienen immer nach Pferden im Finish Ausschau zu halten, und es war, als ob seine elegant beschuhten Füße stets nach einer Stütze aus Messingrohr tasteten. Er war ein agiles Herrchen und, wie Millicent bereits gesagt hatte, erstaunlich fit und rosig. Nach einem höchst leichtsinnigen und lockeren Lebenswandel erfreute sich der Ehrenwerte Galahad, aller ausgleichenden Gerechtigkeit zum Trotz, bester, ja geradezu überschäumender Gesundheit. Wie ein Mann, der von Rechts wegen die Leber des Jahrhunderts hätte haben müssen, so glänzend aussehen konnte wie er, blieb seinen alten Kumpanen ein ewiges Rätsel. Weder war sein Auge stumpf noch seine Körperkraft geschwunden. Und als er leichtfüßig über den Rasen kam und dabei über den Spaniel stolperte, da fing er sich mit einer solchen Grazie, daß er nicht einen einzigen Tropfen des Whisky-Soda in seiner Hand verschüttete. Er hielt das Glas hoch wie ein Banner, unter dem er so manchen Strauß siegreich ausgefochten hatte. Statt dem schwarzen Schaf einer stolzen Familie glich er einem akrobatischen Abstinenzler.
    Nachdem er Fuß und Spaniel wieder getrennt und das zutiefst erschrockene Tier dadurch beruhigt hatte, daß er es an seinem Whiskyglas schnuppern ließ, holte der Ehrenwerte Galahad ein schwarzgerandetes Monokel hervor, klemmte es ins Auge und betrachtete den Tisch mit Widerwillen.
    »Tee?«
    Millicent griff nach einer Tasse.
    »Milch und Zucker, Onkel Gally?«
    Mit allen Anzeichen des Entsetzens und Ekels gebot er ihr Einhalt.
    »Du weißt, daß ich nie Tee trinke. Dafür sind mir meine Innereien zu schade. Sag bloß nicht, daß du dich mit diesem Gebräu vergiftest.«
    »Tut mir leid, Onkel Gally, aber mir schmeckt er.«
    »Sei nur vorsichtig«, warnte der Ehrenwerte Galahad, der seine Nichte gerne hatte und nicht wollte, daß sie schlechte Gewohnheiten annahm. »Sei nur vorsichtig mit diesem Teufelszeug. Hab’ ich dir mal erzählt, wie es dem armen Buffy Struggles anno dreiundneunzig erging? Ein gewissenloses Subjekt schleppte ihn zu einem Vortrag mit Lichtbildern bei den Temperenzlern, und am nächsten Tag tauchte er mit aschgrauem Gesicht bei mir auf, der arme Kerl – aschgrau! ›Gally‹, sagte er, ›was muß man tun, wenn man Tee kaufen will? Wie fängt man das an?‹ – ›Tee?‹ fragte ich. ›Was willst du denn mit Tee?‹ – ›Trinken‹, sagte Buffy. ›Reiß dich zusammen, Mann‹, sagte ich, ›du redest ja wirr. Du kannst doch keinen Tee trinken! Komm, nimm einen Brandy.‹ – ›Nie mehr Alkohol!‹ rief Buffy. ›Denk nur, was er bei Labormäusen anrichtet.‹ – ›Aber du bist keine Labormaus‹, sagte ich, denn hier lag der schwache Punkt seiner Argumentation. Aber er wollte nicht hören, und obwohl ich ihn mit Tränen in den Augen bat, nichts Unbedachtes zu tun, blieb er uneinsichtig. Er bestellte sich zehn Pfund von dem Zeug, und binnen eines Jahres war er tot.«
    »Du meine Güte! Ist das wahr?«
    Der Ehrenwerte Galahad nickte feierlich.
    »Mausetot. Wurde von einer Droschke überfahren, der arme Teufel, als er Piccadilly überquerte. Du kannst die Geschichte in meinem Buch nachlesen.«
    »Wie geht’s voran mit dem Buch?«
    »Großartig, meine Liebe. Glänzend. Ich wußte gar nicht, daß Schreiben so leicht ist. Fließt mir in die Feder. Clarence, ich wollte dich wegen einer Jahreszahl fragen. Wann war dieser schreckliche Krach zwischen dem jungen Gregory Parsloe und Lord Burper, nachdem Parsloe dem alten Knaben das Gebiß gestohlen und bei einem Pfandleiher in Edgware Road versetzt hatte? Sechsundneunzig? Ich dachte, es war später – siebenundneunzig oder achtundneunzig. Aber vielleicht hast du recht. Ich werd’s mal mit Bleistift an den Rand schreiben.«
    Lady Constance stieß einen schrillen Schrei aus. Jetzt hatte sich ihr Leben endgültig verfinstert. Wie so oft, wenn ihr Bruder Galahad zugegen war, hatte sie ein Gefühl, als ob wilde Füchse an ihrem Herzen nagten. Nicht einmal der Gedanke, daß sie Sir Gregory
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