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Sommerkuesse

Titel: Sommerkuesse
Autoren: Sara Ryan
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liefern.«
    »Hab ich gesagt, dass ich eine will?«
    Sie sieht mir in die Augen und sagt einfach: »Du willst doch immer eine.«
    Alle Wut verpufft schlagartig und auf einmal schäme ich mich nur noch.
    »Du kannst sagen oder tun, was du willst.« Das soll sachlich klingen, aber so wie es herauskommt, hört es sich kleinlaut und jämmerlich an. Meine Augen brennen. Halb sind es
Tränen, halb aber auch die pure Erschöpfung. Jetzt erst merke ich, wie müde ich bin, und mir wird klar, wie wenig ich geschlafen habe, seit Battle mich verlassen hat. Wie ausgelaugt ich schon war, als Katrina bei mir angeklopft hat. Eigentlich will ich jetzt nur noch, dass wir es möglichst schnell hinter uns bringen und uns endlich versöhnen.
    Lange sagt keine von uns ein Wort. Ich beginne zu zittern. Vor lauter Erschöpfung wird mir kalt. Ich sehe die Gänsehaut, die sich an meinen Beinen gebildet hat. Aber ich habe keine Lust, mir die Decke vom Bett zu holen. Sie wäre zu tröstlich und ist nicht das, was ich jetzt brauche.
    »Und was ist, wenn es für das, was mit Kevin war, gar keinen echten Grund gab?« Battles Stimme ist leise.
    »Wie meinst du das? Was wäre denn ein echter Grund gewesen?«
    Ich verstehe nicht, worauf sie hinauswill. Ich will nicht aggressiv klingen, aber ich weiß nicht, ob mir das gelingt.
    Battle sitzt einen Augenblick lang stumm da und stößt dann hastig hervor: »Ein echter Grund wäre zum Beispiel gewesen, dass du mir nicht mehr wichtig bist.«
    »Aber du sagst, dass es keinen echten Grund gegeben hat.«
    Sie nickt.
    Das ist lächerlich. Wir kommunizieren nicht miteinander – was wir machen, ähnelt eher einem Wettstreit. Wer schafft es, sich indirekter auszudrücken? Worte funktionieren wohl wirklich nicht. Gegen meinen Willen muss ich plötzlich lachen und kann gar nicht mehr aufhören. Wahrscheinlich ein hysterischer Anfall.
    »Wieso lachst du?«
    Nach Luft ringend, presse ich schließlich hervor: »Über
uns. Wir benehmen uns wie die letzten Teenies.« Meine Stimme überschlägt sich. Ab einem bestimmten Moment ist es wirklich schwierig, zwischen Lachen und Weinen zu unterscheiden.
    »Aber wir sind Teenies«, sagt Battle.
    »Ich weiß. Aber das Ganze ist so doof.«
    »Doof… oh-oh. Das ist natürlich riskant. Meinst du, sie werfen uns aus dem Kurs?« Battles Stimme klingt… nervös? Erschöpft? Ich kann es nicht auf den Punkt bringen.
    »Uns rauswerfen? Ist es dafür nicht ein bisschen spät?« Ich verstehe kein Wort.
    »Na, weil wir doof sind. Wir sind doch in einem Ferienkurs für Hochbegabte. Kapiert?« Sie versucht zu lachen. Es gelingt ihr etwa drei Sekunden lang. Dann sieht sie mich einfach nur an. Battle hat mehr Augenlicht als andere Leute. Wenn normale Augen mit sechzig Watt leuchten, dann ihre mit einer Million. Ich weiche ihrem Blick aus.
    »Du lässt alles raus, was?«, fragt sie müde.
    »Ist das verkehrt?«
    Sie seufzt. Als wäre sie total verzweifelt darüber, dass Telepathie nicht funktioniert. Dass ich den Neonschriftzug, von dem sie zu glauben scheint, dass er über ihre Stirn flackert, nicht lesen kann. Ist das ein typisches Südstaatenphänomen? Erwarten die Leute dort, verstanden zu werden, ohne sprechen zu müssen?
    Ich warte.
    »Du scheinst keine Probleme damit zu haben.« Sie spricht mit dem Teppich, nicht mit mir. Andererseits schaue ich ja auch auf den Boden.
    »Womit?«

    »Mit Nähe.« Als sie das sagt, schaut sie auf.
    »Sollte ich?«
    »Die meisten Leute haben damit Probleme.«
    »Es sah aber nicht so aus, als hättest du bei Kevin ein Problem damit.«
    Sie lacht. Ein Lachen, das beinahe wie ein Bellen klingt. »Während der ganzen Zeit mit Kevin hab ich insgesamt vielleicht zwanzig Wörter zu ihm gesagt. Und zehn davon waren ›echt?‹. Er weiß nicht, dass ich einen Bruder hab, er weiß nicht, warum ich mir eine Glatze rasiert hab. Der weiß noch nicht mal, dass ich Hunde hab.«
    »Was weiß er denn?«
    Als Battle mit den Achseln zuckt, muss ich an Isaac denken. »Dass ich ihm brav zuhöre, wenn er sich endlos über seine Kompositionen auslässt. Ach ja, und dass ich eine ›Schnecke‹ bin.«
    Ich lächle schwach. »Na ja, bist du ja auch.«
    »Nic – du hast nach einer Stunde mehr über mich gewusst als er nach Wochen. Hast du eine Ahnung, wie beängstigend das ist?«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, deshalb sehe ich sie nur an. Es bricht förmlich aus ihr heraus. »Manchmal hat es sich angefühlt, als würdest du mich bei lebendigem Leib sezieren, als wärst
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