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Sommerflammen

Sommerflammen

Titel: Sommerflammen
Autoren: Sabine
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sich beides und sah zu, wie die bunten Papierstreifen ihr Ziel erreichten.
    Cards wiederholte beinahe Wort für Wort, was sie Jim bereits gesagt hatte. Sie nickte noch einmal, den Blick fest auf den Horizont geheftet, und atmete tief durch. Sie stellte sich vor, wie sie fliegen, fallen, die Mitte des Zielgebiets ansteuern würde.
    Während das Flugzeug einen Kreis beschrieb, bis die Schnauze wieder nach vorn zeigte, ging sie ruhig noch einmal alle vier Punkte auf der Checkliste durch.
    Cards zog seinen Kopf zurück. »Macht euch bereit.«
    Auf die Plätze, fertig .. . hörte sie ihren Vater sagen. Sie hielt sich am Türrahmen fest und atmete tief ein.
    Als ihr der Absetzer auf die Schulter klopfte, ließ sie sich hinausfallen.
    Nichts sonst konnte diesen verrückten Moment top-pen, in dem sie ins Leere sprang. Sie begann lautlos zu zählen, was genauso automatisch ging wie das Atmen,
    vertraute sich dem rauchgeschwängerten Himmel an und sah das Flugzeug abdrehen. Dann geriet Jim in ihr Blickfeld, der sich hinter ihr aus dem Flugzeug gestürzt hatte.
    Wieder drehte sie sich in der Luft, kämpfte gegen den Wind an, bis ihre Füße nach unten zeigten. Mit einem Ruck öffnete sich ihr Fallschirm. Sie sah sich nach Jim um und war erleichtert, als sich sein Schirm vor dem leeren Himmel abhob. In diesem Moment unheimlicher Stille, jenseits von Flugzeuglärm und Feuerbrausen, griff sie nach ihren Steuerleinen.
    Der Wind wollte sie hartnäckig nach Norden zerren, doch Rowan hielt genauso hartnäckig jenen Kurs, den sie sich bereits im Vorfeld zurechtgelegt hatte. Sie sah nach unten, während sie der heftigen Gegenströmung Widerstand leistete.
    Die Turbulenzen, die schon die Drifter erfasst hatten, begegneten ihr als stürmische Böen, gleichzeitig schlug ihr von unten die Hitze des Brandes entgegen. Behielt der Wind die Oberhand, würde sie über das Zielgebiet hinausschießen, in den Bäumen landen und riskieren, sich darin zu verfangen. Oder aber er trieb sie nach Westen, direkt in die Flammen hinein.
    Sie riss an ihrer Steuerleine und sah gerade noch rechtzeitig, wie Jim in den Fallwind und damit ins Trudeln geriet.
    »Rechts ziehen. Rechts ziehen!«
    »Verstanden, ich habe verstanden.«
    Aber zu ihrem Entsetzen zog er links.
    »Ich habe rechts gesagt, verdammt noch mal!«
    Sie musste sich ein letztes Mal drehen, und die Freude über den fast ungetrübten Gleitflug wich nackter Angst:
    Jim hing hilflos an seinem Fallschirm und segelte nach Westen.
    Rowan landete im Zielgebiet und rollte sich ab. Sie kam gleich wieder auf die Beine und trennte den Hauptschirm ab. Dann hörte sie ihn, inmitten der Feuersbrunst.
    Den Schrei ihres Sprungpartners.
    Der Schrei verfolgte Rowan, wenn sie im Bett hochschreckte, hallte in ihrem Kopf wider, wenn sie zusammengekauert im Dunkeln saß.
    Stopp, stopp, stopp, befahl sie sich und ließ ihren Kopf auf den angezogenen Knien ruhen, bis sie wieder zu Atem gekommen war.
    Das ist so sinnlos, dachte sie. Es bringt nichts, das Ganze noch mal zu durchleben - jedes einzelne Detail, jede Sekunde - und sich dabei zu fragen, ob sie etwas hätte ändern können. Dass Jim ihr nicht zum Zielgebiet gefolgt war, zum Beispiel. Dass er an der falschen Steuerleine gezogen hatte. Denn er hatte an der falschen Steuerleine gezogen! Und war direkt in die todbringenden Zweige der sich vor ihm auftürmenden, brennenden Bäume geflogen.
    Das Ganze lag bereits Monate zurück, machte sie sich klar. Ein langer Winter lag hinter ihr, der ihr helfen sollte, darüber hinwegzukommen. Was sie im Grunde auch geschafft hatte. Ihre Rückkehr zum Fliegerhorst musste die Albträume ausgelöst haben. Sie fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und die pflegeleichte Kurzhaarfrisur, die sie sich erst vor wenigen Tagen hatte schneiden lassen.
    Die Waldbrandsaison stand kurz bevor. In wenigen Stunden begann das Auffrischungstraining. Erinnerungen,
    Selbstvorwürfe, Trauer - all das würde sie erneut heimsuchen. Aber sie musste schlafen, denn in einer Stunde klingelte der Wecker. Ein anstrengender Fünfkilometerlauf stand ihr bevor.
    Normalerweise konnte sie überall und jederzeit schlafen, wenn es sein musste: An einem geschützten Ort während eines Brandes, in einem wackeligen Flugzeug. Sie konnte essen und schlafen, wenn es nötig war und sich die Möglichkeit ergab.
    Aber als sie erneut die Augen schloss, sah sie wieder Jims Grinsen im Flugzeug vor sich.
    Sie wusste, dass sie es verdrängen musste, und kletterte aus dem
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