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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück
Autoren: Peter Heim
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erste. Staudinger will sie für das Projekt lockermachen. Hat er mir versprochen.«
    »Ja wer ist denn Staudinger?«
    »Freddy Staudinger. Der Chef der Kreissparkasse.«
    Sie musterte ihn. Die komischen kleinen Gläser seiner Brille spiegelten, aber sie konnte trotzdem erkennen, daß Theo die Augen weit und beschwörend geöffnet hatte.
    »Sag' bloß nicht die Villa-Geschichte vom Gardasee? Theo, das ist doch eine Schnapsidee.«
    Er schien nicht im geringsten beleidigt. »Schnapsidee?« Er rieb sich die Nase. Dann sah er auf seine Uhr: »So, jetzt ist's elf. Jetzt gehst du zum Schober und verlangst eine halbe Stunde Pause. Und wenn du die nicht kriegst, mach' ich Aufstand. In diesem Laden wirst du ohnehin nur ausgebeutet. Und dann erklär' ich dir, was eine Schnapsidee ist. Mädchen, weißt du, daß Staudinger der härteste und geizigste Knochen der ganzen Bankbranche ist? Wenn so einer mit Krediten rausrückt …«
    Der blaue Hefter schwang vor Christas Augen. Die winzigen, zuckenden Bewegungen der Schultern kannte sie. Natürlich, Theo wippte auf den Zehen. Das tat er immer, wenn er sich für etwas begeisterte. Mit seinen Jahren geriet er so unversehens und schnell in Hochstimmung wie ein zehnjähriger Junge.
    »Wir machen das, Christa! Wir zwei zeigen es ihnen. So eine Chance wie die Villa kommt nicht wieder!«
    Die Villa? – Christa erinnerte sich undeutlich an einen Brief, den er ihr vor einigen Tagen zum Übersetzen gegeben hatte.
    Der Brief stammte aus irgendeinem Nest am Gardasee, nicht einmal der Name war ihr haften geblieben. Da waren auch Fotos. Jede Menge Bäume gab's darauf, das schon, dazu das Haus. War das nun weiß oder gelb? Oder beides? Jedenfalls sah's aus wie aus dem Konditorladen: Säulchen und Säulen, Balkone und Terrassen, eine Freitreppe mit irgendwelchen Steinfiguren aus einem Fellini-Film, einer jener düsteren, altertümlich-pompösen italienischen Bauten, bei denen man erwartet, daß gleich Chauffeure in Livree aus den Hecken treten und den Damen mit den Sonnenschirmen und den Herren mit den Kreissägen die Autotüren aufreißen.
    Die Fotos waren ziemlich verwackelt. Waren Papis Fotos fast alle. Er hatte sie kartonweise: Fotos und Dias aus seinen großen Zeiten.
    Die sollten wohl wieder beginnen?
    Mit einer sogenannten ›Villa‹, der man den Geruch nach Mottenkugeln schon auf dem Foto ansah?
    Deine Zukunft? – Er hatte den Verstand verloren!
    »Heute abend, Theo«, sagte sie sanft. »Wirklich, ich muß an meine Arbeit …«
    ***
    Bis zur Mittagspause hatte Christa den Gesamtkostenvoranschlag der Firma ›Gebrüder Hasler – Heizungs- und Kühlanlagenbau‹ in den Computer gegeben.
    Es waren hundertsiebenundzwanzig Einzeldispositionen nebst Erläuterungen und Alternativvorschlägen. Dazu hatte sie, um einige Einzelposten zu verifizieren, vier Gespräche mit dem Planungsbüro Hasler geführt.
    Ihre Schläfen klopften, die Buchstaben und Ziffern, in benutzerfreundlichem Orange, flimmerten nicht auf dem Bildschirm, sondern bereits hinter ihrer heißen Stirn. Und das rechte Auge tränte.
    Christa lehnte sich in ihrem ergonomisch gestalteten Arbeitsstuhl zurück und schloß die Augen. Der Buchstabentanz wurde schwächer und endlich von einem anderen Bild ausgelöscht: ein tiefblauer, blitzender See. Ein Ufer. Bäume. Ein weißes Haus …
    So verrückt ihr es auch vorkam, einen quälenden Atemzug lang hatte sie den Eindruck, einen Blick auf das irdische Paradies geworfen zu haben.
    Die Villa am Gardasee.
    Deine Zukunft …
    Und noch ein tiefer Atemzug: War ja wohl keine pralle Leistung, wie du Theo vorhin behandelt hast. Armer Papi! Wie er über die Platten zur Treppe ging … Nicht mehr hüpfend, den Hefter mit dem ›Projekt‹ unter den Arm geklemmt, kein einziger Blick zurück, das Kreuz aber durchgedrückt, das Kinn zum Himmel, den Kopf so hoch, wie's nur irgendwie ging.
    Wenn einer so klein ist, bringt das Probleme. Und schon war er über die erste Treppe gestolpert.
    Ach, der Theo! Wie hat er es nur geschafft, ganze Ladungen von Studienräten und Hausfrauen über die Alpen oder die Anden zu lotsen, ohne daß je irgendwas Ernsthaftes passierte?
    Christa seufzte, zog sich den Arbeitskittel aus, nahm die Handtasche und machte sich auf den Marsch in die Kantine.
    Vor der Kantinentür blieb sie stehen, um sich zu sammeln. Dann schob sie energisch einen der beiden Schwingflügel auf – den linken.
    Alle Kantinen dieser Welt sind Geschwister, und kein Raumgestalter oder
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